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Lesben und Nationalsozialismus

Wessen Gedenken?
Geschlechterkritische Fragen an das geplante Homosexuellen-Mahnmal (2007)



Nachtrag (2010): Das Homosexuellen-Denkmal seit seiner Übergabe 2008



Ein umstrittener Entwurf


Homomonument Berlin © Corinna Tomberger 2009
Denkmal für die im Nationalsozialismus
verfolgten Homosexuellen, Berlin 2009

Am 26. Januar 2006, termingerecht zum nachfolgenden staatlichen „Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus“, wurden die Ergebnisse des künstlerischen Wettbewerbs für einen „Gedenkort für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen“ in Berlin veröffentlicht. Damit schien eine seit über zehn Jahren tätige Initiative an ihrem Ziel angelangt. „Wir sehen im prämierten Entwurf eine erfolgreiche Annäherung an die gestellten Aufgaben“,1 erklärte die Initiative „Der homosexuellen NS-Opfer gedenken“ zufrieden in ihrer Pressemitteilung zu diesem Anlass. 



Doch die Zufriedenheit währte nicht lange. Schon bald wurde Kritik an dem prämierten Entwurf laut. Für die Lichtung am östlichen Tiergartenrand sehen Michael Elmgreen und Ingar Dragset, ein in Berlin ansässiges, dänisch-norwegisches Künstlerduo, einen geneigten Betonquader vor. Formal ist der Solitär an die Stelen des „Denkmals für die ermordeten Juden Europas“ angelehnt, das sich in Sichtweite auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet. Ein kleines rechteckiges Fenster soll Einblick in das Innere des Betonquaders ermöglichen. Nach den Plänen der Künstler wird dort der Endlosfilm eines sich küssenden Männerpaares zu sehen sein.  


„Hat jemand die Frauen vergessen?“,2 fragte die Berliner Zeitung wenige Monate später, anlässlich einer Kampagne der Emma-Chefredakteurin Alice Schwarzer. Das Magazin startete eine Unterschriftenaktion „Für Frauen im Homo-Denkmal!“. Die Kampagne richtete sich dagegen, „dass das geplante Homo-Denkmal in Berlin ausschließlich männliche Homosexuelle zeig[t] und forder[t]e, dass auch die weiblichen Homosexuellen angemessen berücksichtigt werden“.3 Nach Auskunft von Emma unterstützten über 1000 Frauen, Männer und Organisationen den Protest.  


Schwarzer beschränkte ihre Kritik nicht auf das Fehlen von Lesben in der künstlerischen Arbeit. Darüber hinaus kritisierte sie den Entwurf als „Getto des Kitsches männlicher Homosexualität. Denn trotz hehrer Stele“, so begründete sie, „ist die Reminiszenz an die voyeuristische Klappen-Sexualität homosexueller Männer aus der Zeit der Repression unübersehbar.“4 Auch wenn Schwarzers ästhetischem Urteil kaum jemand folgte, mehrte sich die Kritik an der visuellen Beschränkung des Entwurfs auf schwule Männer. PolitikerInnen verschiedener politischer Couleur sprachen sich für eine Überarbeitung des Entwurfs aus, darunter der Regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit (SPD), der damalige Frauensenator Harald Wolf (PDS), die Vorsitzende des Bundestags-Kulturausschusses Monika Griefahn (SPD) und die Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Auch Volker Beck (Bundestagsabgeordneter, Bündnis 90 / Die Grünen) vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD), bei dem die Denkmal-Initiative angesiedelt ist, votierte dafür, „hier nachzuarbeiten“.5 


Ende August 2006 lud der LSVD in den Räumen der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst in Berlin zu einer Diskussionsveranstaltung über das Denkmal ein. Das Künstlerduo verteidigte seinen Entwurf, indem es argumentierte, es gehe nicht um Repräsentation. Zudem wiesen die Künstler darauf hin, dass Informationen zur Lebenssituation von Lesben und Schwulen in der NS-Zeit das Denkmal ergänzen sollten. Eine wechselweise Projektion sich küssender Männer- und Frauenpaare lehnten die Künstler ab. Ihnen sei ein ununterbrochener, endlos wirkender Kuss wichtig. Demgegenüber wurde aus dem überwiegend weiblichen Publikum nachdrücklich für eine visuelle Repräsentation von Lesben im Denkmal plädiert. Positive Resonanz erhielt der Vorschlag der Schauspielerin Maren Kroymann, in dem Film ein küssendes Paar zu zeigen, das geschlechtlich nicht eindeutig zugeordnet werden könne. Im Nachgang zu dieser Diskussion reformulierte der LSVD seine Position und warnte, das Denkmal dürfe „keinen Lesben ausschließenden Charakter bekommen“.6 Der Verband wollte dies als politische Forderung an die verantwortlichen Entscheidungsgremien verstanden wissen. Gleichzeitig betonte er seinen Respekt vor der künstlerischen Freiheit der Urheber des Entwurfs.  


Eine weitere Diskussionsveranstaltung fand im Januar 2007 auf Einladung des schwulen Berliner Antigewaltprojektes MANEO im Rathaus Charlottenburg statt.7 Als Vorschlag zur Güte stand nun das Angebot des Künstlerduos im Raum, das vorgesehene Video könne alle zwei Jahre durch ein neues ersetzt werden. Dem küssenden Männerpaar könnte also zwei Jahre darauf ein küssendes Frauenpaar nachfolgen. Dieses Angebot hatten der LSVD, die Denkmal-Initiative und der Lesbenring im Dezember 2006 nachdrücklich begrüßt und der Bundesregierung zur Umsetzung empfohlen.8 Allerdings reagierten Kritikerinnen eher skeptisch auf dieses Angebot. Zum einen lasse die visuelle Integration lesbischer Lebensweisen in das Denkmal dann zwei Jahre auf sich warten. Zum anderen sei zu bezweifeln, ob ein periodischer Wechsel des Filmmaterials auf längere Sicht umsetzbar wäre – zumal vollkommen unklar sei, woher die finanziellen Mittel dafür kommen könnten. Der Streit um das geplante Denkmal ist demnach keineswegs beigelegt. Der inzwischen auch von der Bundesregierung abgesegnete Videowechsel im Zwei-Jahres-Rhythmus räumt die Einwände der Kritikerinnen nicht aus. Dennoch erklärt eine Pressemitteilung der Bundesregierung vom Juni 2007, es sei nun gelungen, „völliges Einvernehmen […] zu erzielen“, und kündigt an, das Denkmal solle noch im Laufe des Jahres realisiert werden.9 


Dieser Beitrag beleuchtet die geplante Denkmalsetzung und die daraus resultierenden Konflikte von verschiedenen Seiten. Zunächst betrachte ich die Entstehungsgeschichte der Initiative, deren Akteure sowie deren Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen. Dies soll sichtbar machen, welche Anliegen mit dem Projekt verknüpft wurden und werden. Dabei greife ich auf geschichtswissenschaftliche Forschungsergebnisse zur Situation von Lesben und Schwulen in der NS-Zeit zurück, um zu verdeutlichen, welche historischen Erkenntnisse die Denkmal-Initiative aufgreift. Ein weiterer Teil gilt dem künstlerischen Wettbewerb für das Denkmal, der Aufgabenstellung und den Problemen, die sich daraus ergeben. Schließlich frage ich nach dem geschichtspolitischen Kontext, innerhalb dessen sich die Initiative für ein solches Denkmal herausgebildet hat. 


Hinweisschild Homomonument © Corinna Tomberger 2009
Hinweisschild neben dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas,
Ebertstraße (2009) Text oben: "Denkmal für die im Nationalsozialismus
verfolgten Homosexuellen, 50 m"
Denkmalansicht Homomonument © Corinna Tomberger 2009
Denkmalansicht, Standort:
Hinweisschild an der Ebertstraße (2009)
Denkmalansicht Homomonument © Corinna Tomberger 2009
Denkmalansicht, Standort:
Fußweg parallel zur Ebertstraße (2009)

„Der Block ist schwul“ 


– so betitelte die Berliner Zeitung einen Artikel, in dem Michael Elmgreen die Idee für den prämierten Entwurf folgendermaßen beschrieb: „Es ist, als wenn einer der Blöcke vom Holocaust-Denkmal nächtens über die Straße gelaufen wäre, sich in den Wald gestellt hätte und nun sagt: Seht her, ich bin ein Teil der ganzen Geschichte, ich bin aber auch etwas Eigenes. Ich bin schwul.“10 Dieses Zitat macht sehr anschaulich, auf wen die beiden Künstler mit ihrem Entwurf für ein „Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen“ abzielen: auf schwule Männer. Wie so oft sind Männer als Norm gesetzt, wenn ein Begriff verwendet wird, der Frauen vermeintlich einschließen soll.


Die exklusive Bezugnahme auf schwule Männer, die in Elmgreens Zitat offensichtlich wird, stand auch am Beginn der Denkmal-Initiative. Anfang der 1990er Jahre gründete sich ein Zusammenschluss schwuler Männer, zunächst unter dem Namen „Der schwulen Opfer des Nationalsozialismus gedenken!“, später unter dem Namen „Initiative Schwulendenkmal“.11 1995 trat diese Initiative mit ihrem Anliegen in einer Denkschrift unter dem Titel „Der homosexuellen NS-Opfer gedenken“ an die Öffentlichkeit. Diese Publikation, herausgegeben vom Fachbereich für gleichgeschlechtliche Lebensweisen des Berliner Senats, bestand aus zwei recht widersprüchlichen Teilen: Die Initiative Schwulendenkmal begründete in mehreren Beiträgen ihr Engagement für ein Mahnmal für die schwulen Opfer des Nationalsozialismus. Die explizite Widmung an homosexuelle Männer sollte „der Spezifik ihrer Verfolgung“12 im Nationalsozialismus Rechnung tragen. Demgegenüber vermittelte die vorangestellte Einleitung der Denkschrift von Ilse Kokula ein anders gelagertes Anliegen. Kokula gab zu bedenken, die Errichtung eines schwulen Denkmals könne „den Blick für die Gemeinsamkeiten der Situation von lesbischen Frauen und schwulen Männern sowie der weiteren Gruppen von sexuellen Minderheiten [...] in der Zeit des Nationalsozialismus [trüben]“.13 Auch wenn Kokula dies nicht ausdrücklich formulierte, war ihr Beitrag als Plädoyer für ein Denkmal zu verstehen, das an die Verfolgung homosexueller Frauen und Männer erinnern sollte. 


Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass die unterschiedlichen Forderungen auf verschiedenen Geschichtsdeutungen beruhten: Die Befürworter eines Schwulendenkmals gingen davon aus, dass „Lebensbeeinträchtigung und Unterdrückung […] in Ausmaß und Intensität so deutlich anders [waren], daß eine simple Gleichsetzung der schwulen und lesbischen Opfer verfehlt wäre“.14 Demgegenüber setzte Kokula als bekannt voraus, „daß lesbische Frauen wegen angeblicher Asozialität, angeblicher Kriminalität, angeblicher Verführung Minderjähriger und wegen Wehrkraftzersetzung verhaftet wurden“.15 Die skizzierte unterschiedliche Einschätzung einer Verfolgung von Lesben in der NS-Zeit war also bereits 1995 als Konfliktpotential auszumachen. Der Fachbereich für gleichgeschlechtliche Lebensweisen verklammerte in seiner Veröffentlichung zwei sehr unterschiedliche Positionen zu einem vermeintlich gemeinsamen Anliegen, ohne auf deren Gegensätzlichkeit einzugehen. 


So gesehen erstaunt es nicht, dass sich ähnliche Konfliktlinien über zehn Jahre später in der Debatte über den Entwurf von Elmgreen und Dragset finden – etwa wenn ein Leserbriefschreiber im Berliner schwullesbischen Stadtmagazin Siegessäule Maren Kroymann vorwirft, mit ihrer Kritik an dem Entwurf den Unterschied zwischen „dem ‚Totschlagen’ [gemeint ist hier: schwuler Männer, C.T.] und dem ‚Totschweigen’ lesbischer Sexualität“16 zu nivellieren, oder wenn Jan Feddersen in der taz polemisiert, als BDM-Veranstaltungen getarnte Lesbenbälle hätten noch bis in die 1940er Jahre hinein stattgefunden, während schwule Männer von den Nazis verfolgt worden seien.17 Demgegenüber beklagte Chantal Louis in der Emma die Verleugnung verfolgter Lesben in der bisherigen Debatte um das Denkmal. Louis berichtet von einigen Fällen inhaftierter Lesben in der NS-Zeit, denen ihre sexuelle Neigung vorgeworfen wurde. Sie behauptet, es gebe „eine erdrückende Summe von Beweisen dafür, dass die Nationalsozialisten Frauen verfolgten, weil sie lesbisch waren“.18  Wo diese Beweise im Einzelnen zu finden sein sollen, teilt sie der Leserin allerdings nicht mit.


Denkmalansicht Homomonument © Corinna Tomberger 2009
Besucherinnen und Besucher am Denkmal (2009)

Wer sich mit kritischer Geschichtsschreibung befasst hat, geht nicht länger davon aus, dass es möglich sein könnte, die eine endgültige historische Wahrheit aufzudecken. Historische Forschung bedeutet eine akribische Rekonstruktion dessen, wie es gewesen sein könnte, anhand von Quellen, die wiederum kritisch bewertet werden müssen. Begründete Aussagen über geschichtliche Vorgänge sind umso schwieriger, wenn die Quellenlage unsicher und dürftig ist, wie dies hinsichtlich des nationalsozialistischen Umgangs mit weiblicher Homosexualität der Fall ist.

Gesichert ist, dass sich die Befürworter einer strafrechtlichen Verfolgung von weiblicher Homosexualität in der NS-Zeit nicht durchsetzen konnten. Anders war dies in Österreich und dem „Protektorat Böhmen und Mähren“.19 Abgesehen von diesen Ausnahmen gab es in der NS-Zeit keine rechtliche Regelung, die weibliche Homosexualität generell unter Strafe stellte. Claudia Schoppmann hat in ihren Forschungen einzelne Fälle nationalsozialistischer Verfolgung lesbischer Kontakte rekonstruiert. Sie kommt zu dem Schluss, „dass es keine systematische Verfolgung lesbischer Frauen gegeben hat, die mit der homosexueller Männer vergleichbar ist“.20 


Demgegenüber wurde männliche Homosexualität seit der Reichsgründung 1871 reichsweit durch den § 175 RStGB kriminalisiert. Diese strafrechtliche Regelung wurde 1935 erheblich verschärft. Neuere Forschungen weisen für verschiedene Großstädte nach, wie sich die Verfolgung männlicher Homosexueller im Verlauf der NS-Herrschaft radikalisierte.21 Die strafrechtliche Verfolgung männlicher Homosexualität und die entsprechende Registrierung und Kennzeichnung von Häftlingen in den Akten erlaubt der historischen Forschung, diese Verfolgung zu rekonstruieren. Nach aktuellem Forschungsstand wird von etwa 50.000 Verurteilungen nach § 175 ausgegangen, 10.000 bis 15.000 Männer wurden in KZs verbracht. Etwa zwei Drittel, an die 10.000, überlebten die Haft nicht.22 Das sind bedrückende Zahlen. Es erscheint einleuchtend, wenn einige schwule Männer protestieren, eine Verfolgung dieser Größenordnung dürfe nicht mit nur wenigen nachweisbaren Fällen verfolgter lesbischer Frauen in der NS-Zeit gleichgesetzt werden. 


Von einer schwulen Initiative zu staatlichem Gedenken  


Angesichts der unterschiedlichen Ausgangslage für homosexuelle Frauen und Männer in der NS-Zeit verwundert es, dass die Initiative überhaupt von dem anfänglichen Projekt eines Schwulendenkmals abrückte. Aus einem Tagungsband der Heinrich-Böll-Stiftung von 1999 unter dem Titel „Der homosexuellen NS-Opfer gedenken“ geht hervor, dass die Umwidmung des Projektes in ein „HomoMonument“ durchaus umstritten war.23 Erklärt wird diese Veränderung mit dem Umstand, dass zeitweilig eine Lesbe für die Mitarbeit gewonnen werden konnte. Ein Treffen interessierter Lesben 1996 hatte der Initiative nicht zu lesbischen Mitstreiterinnen verholfen.24 Die vorangegangene Konzentration auf schwule Verfolgte begründeten die Akteure damit, dass sie „nicht stellvertretend für andere aktiv werden wollte[n]“.25 Dass ihr Engagement für ein Schwulendenkmal gleichfalls eine Stellvertreterpolitik für andere war, deren Erfahrung sie mitnichten teilten, realisierten die ausnahmslos nach 1945 geborenen schwulen Akteure augenscheinlich nicht.  


Als inhaltliche Argumente für ein Denkmal für Homosexuelle beiderlei Geschlechts in der NS-Zeit führte die Initiative 1999 ebenso gemeinsame Erfahrungen von Stigmatisierung und der Zerschlagung schwuler und lesbischer Subkultur an wie den Zwang, ein Leben in Heimlichkeit zu führen. Dies erscheint als vergleichsweise dünne Basis angesichts des Vorwurfs eines früheren Mitstreiters, „unter der Flagge scheinbarer political correctness [solle] der ideologisch grundierte Mythos einer NS-Lesbenverfolgung festgeschrieben werden“.26 Ich möchte die These aufstellen, dass die Wendung hin zu einem Denkmalprojekt, das Schwule und Lesben vermeintlich gleichermaßen bedenken sollte, in erheblichem Maße einem anderen, ungenannten Umstand zuzuschreiben ist: nämlich der Notwendigkeit, das Projekt an staatliche Institutionen anzubinden, um es zu realisieren. Diese Notwendigkeit ist Denkmalsetzungen im Regelfall inhärent, da die Gestaltung des öffentlichen Raumes staatlichen Instanzen obliegt.


Die Denkschrift von 1995 illustriert die politischen Vorgaben einer solchen Anbindung. Die zuständige Berliner Senatorin für Jugend und Familie, Ingrid Stahmer (SPD), spricht darin von der Aufgabe, „die Geschichte der gesellschaftlichen Ausgrenzung und Verfolgung homosexueller Frauen und Männer zu erinnern und […] die gesellschaftliche Akzeptanz von lesbischen Frauen und schwulen Männern zu fördern“.27 Sie geht also von einer Gleichberechtigungsmaxime aus – ungeachtet der widersprüchlichen inhaltlichen Positionen, die ihrem Vorwort nachfolgen. Ein Schwulendenkmal, so möchte ich behaupten, hätte nie einen vergleichbar großen Fürsprecherkreis gefunden wie das spätere „Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen“. In seiner expliziten Benennung von stigmatisierter Homosexualität und Geschlecht wäre es ein Nischenprojekt geblieben, das kaum auf staatliche Realisierung hätte hoffen können. Ich will den damaligen Akteuren keineswegs unterstellen, aus politischem Kalkül gehandelt zu haben. Denkbar sind weitaus subtilere Mechanismen, die es sinnvoll erscheinen ließen, das Projekt innerhalb der Regeln des Sagbaren zu reformulieren.


Zumal zu Zeiten einer rot-grünen Regierungskoalition bestand berechtigte Hoffnung darauf, Unterstützung für ein in obigem Sinne reformuliertes Anliegen zu finden. Nun war die Initiative bestrebt, mit einem „Gedenken an die verfolgten Homosexuellen […] in der Bundeshauptstadt […] ein beständiges Zeichen […] gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen und Lesben [zu setzen]“.28 Als die Initiative – wiederum termingerecht zum staatlichen Gedenktag – am 27. Januar 2001 mit dem Aufruf „Ein Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen“ an die Öffentlichkeit trat, konnte sie denn auch prominente Erstunterzeichnerinnen und -unterzeichner gewinnen. Dazu zählten Persönlichkeiten wie Paul Spiegel, Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland, Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, Lea Rosh, Vorsitzende des Förderkreises zur Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas, die Bischöfinnen Maria Jepsen und Margot Käßmann, der Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass, die Schriftstellerin Christa Wolf, der DGB-Vorsitzende Dieter Schulte und ver.di-Chef Frank Bsirske.29 


Wie diese Namen zeigen, hatte die Initiative für ihr Anliegen nun eine Formulierung gefunden, die zumindest innerhalb einer linken bis liberalen politisch-kulturellen Elite breite Unterstützung fand. Es war sicher nicht zuletzt dieser Anschlussfähigkeit zu verdanken, dass die Initiative im Juli 2003 einen ersten Etappensieg verbuchen konnte: Die Regierungsfraktionen brachten in den Bundestag den Antrag ein, ein Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen zu errichten.30 Am 12. Dezember 2003 beschloss der Deutsche Bundestag den Antrag auf seiner 83. Sitzung. Dafür votierten die Fraktionen der SPD, von Bündnis 90 / Die Grünen und der FDP, dagegen die CDU/CSU-Fraktion. Die Fürsprecher nahmen auf den Beschluss für ein Denkmal für die ermordeten Juden Europas Bezug, der die Verpflichtung beinhaltet hatte, „der anderen Opfer […] würdig zu gedenken“.31 Auf einer vergleichbaren Ebene, der eines nationalen Mahnmals, siedelte der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs in der Debatte auch das geplante Homosexuellen-Denkmal an: „[Wir] haben […] über ein Mahnmal zu diskutieren, das bundesweite Bedeutung haben und das zum Gedenken an die jeweilige Opfergruppe seine Wirkung in die ganze Republik ausstrahlen soll.“32 


Der Bundestagsbeschluss sah einen künstlerischen Wettbewerb vor und forderte die Bundesregierung auf, „im Einvernehmen mit dem Senat von Berlin sowie den Initiatoren des Denkmalprojekts für die Verwirklichung des Grundsatzbeschlusses Sorge zu tragen“.33 Aus der einstigen Schwuleninitiative war inzwischen also ein Projekt der Bundesregierung geworden. Welchen politischen Nutzen dies für die rot-grüne Regierung versprach, veranschaulicht der Debattenbeitrag der Staatsministerin für Kultur und Medien, Christina Weiss: „Diese Bundesregierung hat endlich Ernst damit gemacht, homosexuelle Bürgerinnen und Bürger als Teil der Gesellschaft zu begreifen und sie zu integrieren – mit Pflichten, aber auch mit lange verweigerten Rechten.“34 Rot-Grün konnte sich den Beschluss für das Denkmal als Beleg seiner Integrationspolitik gegenüber Homosexuellen auf die Fahnen schreiben. 


Erinnerung an die Verfolgten, Ort der Selbstvergewisserung 


Der künstlerische Wettbewerb begann 2004 mit einer offenen Phase. Sie erlaubte Künstlerinnen und Künstlern, sich um die Teilnahme an dem ansonsten geschlossenen Wettbewerb zu bewerben.35 Eine Auswahlkommission, von der Denkmal-Initiative und dem LSVD berufen, wählte aus 124 Eingängen sieben BewerberInnen für den nachfolgenden geschlossenen Wettbewerb aus. Die übrigen 26 TeilnehmerInnen lud ein künstlerischer Beirat ein, den der Bund, das Land Berlin und die Initiatoren beriefen.36 Der geschlossene Wettbewerb begann im April 2005 mit einem zweitägigen Kolloquium. Darin wurden auch die unterschiedlichen Bedingungen lesbischer und schwuler Existenzweisen in der NS-Zeit referiert.  


In Anlehnung an den Bundestagsbeschluss bestand die Aufgabenstellung des Wettbewerbs aus mehreren Teilen. Geschaffen werden sollte ein Ort,  


– „der an die Homosexuellen erinnert, die im Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden,  


– ein beständiges Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen und Lesben setzt,  


– von großer kommunikativer Kraft ist, Denkanstöße gibt und einen Auseinandersetzungsprozess anregt,  


– für Schwule und Lesben auch als Ort der Selbstvergewisserung dient, an dem sie sich mit der eigenen kollektiven Geschichte, auch in ihrer Unterschiedlichkeit, auseinandersetzen können und  


– der sich in die urbane Umgebung einfügt und zugleich Aufmerksamkeit provoziert“.37 


Die Aufgabenstellung ist, wie wir sehen, vielfältig. Einiges blieb dabei im Unklaren. Wer gemeint war, wenn von verfolgten Homosexuellen die Rede war, wurde nicht präzisiert. Indirekt ist dies einem nachfolgenden Hinweis auf eine Literaturliste zur NS-Verfolgung homosexueller Männer zu entnehmen. Anscheinend hatten die Auslober für einen Teil der Aufgabenstellung eine exklusiv männliche Widmungsgruppe vor Augen, für andere Teile hingegen Lesben und Schwule. Dies wurde jedoch nicht thematisiert, sondern als unausgesprochener Widerspruch innerhalb der Aufgabenstellung an die WettbewerbsteilnehmerInnen weitergegeben. Es wirkt daher eher untertrieben, wenn der Sprecher des LSVD, Günter Dworek, auf dem Kolloquium einräumte, es handele sich um anspruchsvolle Aufgaben, die das Denkmal erfüllen solle.38 Dennoch fügte er hinzu: „Wir vom Lesben- und Schwulenverband jedenfalls sind guten Mutes; wir vertrauen auf die große kommunikative Kraft guter Kunst.“39 Mir erscheint dieses Vertrauen eher wie ein einigermaßen naiver Glaube daran, die Kunst werde es schon richten können, und wenn die Aufgabenstellung noch so disparat ist. 


„Befangenheit, Hilflosigkeit, Verharmlosung und riskante Entgleisungen bestimmen das Niveau der eingereichten Arbeiten. Einen wirklich überzeugenden Treffer gibt es nicht.“40 So beurteilt eine Kunstkritik im Artnet-Magazin die Wettbewerbsergebnisse. Wenn kaum ein Ergebnis wirklich überzeugte, so war dies nicht zuletzt der Aufgabenstellung geschuldet. Mit deren Widersprüchlichkeit waren die WettbewerbsteilnehmerInnen unterschiedlich verfahren. Neben Elmgreen und Dragset hatten sich weitere Künstler dafür entschieden, homosexuell einfach als Synonym für schwul zu interpretieren. Am konsequentesten verwendete Lukas Duwenhögger schwule Ikonographie: Er entwarf einen Wachturm, auf dem eine Teekannenskulptur thront – die, so Duwenhögger, „sich absichtsvoll auf klischeehafte Vorstellungen einer typisch schwulen […] Pose oder Geste“ bezieht.41 Auf eine andere schwule Metapher rekurriert der Entwurf „Ein warmer See“ von Rudolf Herz. Darin sollen tropische Pflanzen gedeihen, so dass „ein schwüler Ort“42 entsteht. Mit dem Entwurf einer partiell beheizten Skulptur unter dem Titel „warm“ wollte Christian Phillip Müller dazu beitragen, den negativen Begriff „warmer Bruder“ neu zu besetzen.


Andere KünstlerInnen entschieden sich für eine sehr abstrakte Gestaltung, die jedoch klare Hinweise auf Ausgrenzung und Verfolgung vermissen ließ. So etwa Raimund Kummers Brücke, verziert mit gläsernen, vereist wirkenden Magnolienblüten, gewidmet „der Liebe, die ihren Namen nicht zu nennen wagte“.43 Ein anderes Beispiel ist Holger Beisitzers monumentale Buchstabenskulptur „Denk mal homosexuell …“. Sie soll in ihrer „Größe und Schroffheit die Umgangsschwierigkeiten mit Homosexualität – damals und heute“ – vermitteln und „für das gewachsene Selbstbewusstsein heutiger Homosexueller und ihren Stolz auf die eigene Sexualität“ stehen.44 


Neben Beisitzers Entwurf und dem prämierten von Elmgreen und Dragset kam ein dritter Vorschlag in die engere Wahl der Jury: Der Entwurf von Katja Augustin, Jörg Prinz und Carsten Wiewiorra sah ein „wachsendes, lebendes und sich wandelndes Denkmal“45 vor, nämlich eine Reihe von Blutbuchen. Einritzungen historisch belegter Namen und fiktiver Daten sowie „fiktiver Hinterlassenschaften sich liebender homosexueller Menschen“ in die Baumrinden sollten Liebe, Verlust und Trennungsschmerz assoziieren lassen.


Der zuletzt genannte Entwurf von Augustin und anderen war der einzige unter den drei favorisierten, der den in der Auslobung genannten Bezug auf lesbische Lebensweisen explizit herstellte. Insgesamt fällt an den Protokollen der Jurysitzungen auf, dass die häufige Beschränkung der Entwürfe auf schwule Männer überhaupt nicht problematisiert wurde, obwohl dies der Aufgabenstellung des Wettbewerbs deutlich zuwiderlief. Die elfköpfige Jury, darunter zwei Frauen,46 hatte augenscheinlich keine Schwierigkeiten mit einer exklusiven visuellen Referenz auf schwule Männer. Das wird insbesondere an den Kommentaren zu dem prämierten Entwurf deutlich. Über den geplanten Film eines sich küssenden Männerpaares heißt es: „[…] damit [werde] auch die Kommunikation Schwuler untereinander und mit der Gesellschaft sowohl im historischen als auch im heutigen Kontext thematisiert. Darüber hinaus werde der Ort zu einem Denkmal für die Schwulenemanzipation.“47 Problematisiert wurden an dem Entwurf von Elmgreen und Dragset zwar die fehlende Aufenthaltsqualität, die mangelnde Eignung für größere Besuchergruppen und die suggerierte Vergleichbarkeit von Holocaust und einem angeblichen „Homocaust“, nicht aber die exklusive Bezugnahme auf schwule Männer. In der Abstimmung wurde der Entwurf mit acht Ja-Stimmen, einer Nein-Stimme und zwei Enthaltungen zur Realisierung empfohlen.48


Ob das Vertrauen der Denkmal-Initiative in die „große kommunikative Kraft guter Kunst“ gerechtfertigt war, möge jedeR selbst entscheiden. Anzumerken bleibt, dass einige renommierte Künstlerinnen und Künstler wie Jenny Holzer, Olaf Metzel und Katharina Sieverding der Einladung zur Teilnahme gar nicht erst folgten. Ob die Aufgabenstellung oder das kärgliche Honorar von 1200 Euro für einen eingereichten Entwurf dabei eine Rolle spielten, darüber lässt sich nur spekulieren.49 


Eine Genealogie der Opfer   


Denkmalansicht Homomonument © Corinna Tomberger 2009
Vorderansicht des Denkmals
mit Sichtfenster (2009)

Nach diesem Abriss des Entscheidungsprozesses komme ich auf die eingangs angekündigte Frage nach dem geschichtspolitischen Kontext der geplanten Denkmalsetzung zurück. Was bedeutet ein Homosexuellen-Denkmal in einem geschichtspolitischen Zusammenhang, in dem die Erinnerung an die NS-Zeit Staatsaufgabe geworden ist?

Einige Folgen haben wir bereits betrachtet: die Anbindung an staatliche Institutionen und die Angleichung an deren inhaltliche Zielsetzungen. Wie ist dieser Vorgang zu bewerten? Wurde ein an sich ehrenwertes Projekt der Community durch die Zusammenarbeit mit dem Staat korrumpiert? Die Verhältnisse sind komplizierter. Der wiederholte Rekurs der Denkmal-Initiative auf den offiziellen „Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus“ veranschaulicht deren aktives Bemühen, ihr Projekt in den Kanon staatlicher Geschichtspolitik einzuschreiben. Ein solches Einschreiben ist, wie ich argumentieren möchte, als identitätspolitischer Akt zu verstehen.  


Um dies zu verdeutlichen, möchte ich eine weitere Aktion der Denkmal-Initiative näher beleuchten.50 Dabei nahm sie für ihr Anliegen ein prominentes nationales Symbol in Anspruch. 2002 legten Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Parade zum Christopher Street Day auf Anregung der Denkmal-Initiative vor dem Brandenburger Tor 600 Ziegelsteine zu einem Rosa Winkel aus. Die Hälfte der Steine hatten Besucherinnen und Besucher des lesbisch-schwulen Stadtfestes eine Woche zuvor mit den Namen Homosexueller beschriftet, die in der NS-Zeit ermordet worden waren oder sich selbst das Leben genommen hatten. An der Aktion der Denkmal-Initiative auf dem Stadtfest beteiligten sich auch prominente Politiker wie Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) und MdB Volker Beck.  


Bei der CSD-Parade waren die Steine am Straßenrand bereitgestellt, um von den TeilnehmerInnen aufgenommen und 100 Meter mitgetragen zu werden, bevor sie zu einem Rosa Winkel zusammengefügt wurden. Das Tragen der Steine hatten die Veranstalter vorgesehen, um „die homosexuellen NS-Opfer symbolisch in unsere Mitte zu nehmen“.51 Wohl nicht von ungefähr ermöglichten die Ziegelsteine auch eine dingliche Verbindung zum Leiden männlicher homosexueller Häftlinge im NS-Konzentrationslager Sachsenhausen. Im Klinkerwerk waren Ziegelsteine hergestellt worden, die dem Bau der Reichshauptstadt „Germania“ dienen sollten. An die dortige Mordaktion an Rosa-Winkel-Häftlingen erinnerte eine gute Woche nach dem CSD eine Gedenkveranstaltung in Sachsenhausen. Auch zu diesem Anlass wurden beschriftete Ziegelsteine zu einem Rosa Winkel ausgelegt.52 


Das Tragen der Steine hat indes auch Anklänge an den christlichen Kreuzweg, der die Leidensstationen Jesu nachvollziehbar machen soll – bei einigen Passionszügen, indem die Teilnehmer selbst Kreuze tragen. In Anlehnung an die christliche Tradition fungierten bei der CSD-Parade die Körper der Tragenden als Ort eines leibhaftigen Gedächtnisses. Die Praxis erinnernden Nachvollziehens konnte dabei zu einem „Ausweis der gelungenen Leidensnachfolge“53 werden. Die Verwandtschaft mit dem christlichen Ritual des Passionszuges illustriert den identifikatorischen Charakter des Steinetragens. Die symbolische Integration der Verfolgten der NS-Zeit in die schwullesbische Community der Gegenwart bot den TeilnehmerInnen der Parade die Möglichkeit, sich mit den Opfern zu identifizieren. 


Die Selbstbeschreibung nicht verfolgter Deutscher und ihrer Nachkommen als Opfer der NS-Zeit respektive die Identifikation mit den Opfern hat in der Bundesrepublik Tradition54 – nicht erst seit der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) 1993 die Errichtung einer nationalen Gedenkstätte für die „Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ in der Neuen Wache verfügte, nicht erst seit den Debatten über ein Berliner „Zentrum gegen Vertreibungen“ oder TV-Spielfilmen wie „Die Flucht“55 und „Dresden“56. Und so unbequem es auch sein mag: Dieses Deutungsmuster beschränkt sich keineswegs auf neokonservative Kreise. Vielmehr durchzieht dieses Bemühen strukturell die bundesdeutsche Erinnerungskultur der letzten beiden Jahrzehnte. 


Dies ist ein wesentliches Ergebnis meiner Studie über Gegendenkmäler der 1980er Jahre.57 Der Begriff Gegendenkmal wird für einen neuen Denkmaltypus verwendet, der sich durch unkonventionelle ästhetische Strategien vom traditionellen Denkmal unterscheidet und vor allem ein angemessenes Gedenken an die NS-Verfolgung ermöglichen soll.58 Seine Entwicklung stand am Anfang eines Phänomens, das die Kunstgeschichtsschreibung als „Denkmalboom“59 bezeichnet. Um 1980 dachte kaum jemand an ein Denkmal, wenn es darum ging, die NS-Verfolgung im Land der Täter aufzuarbeiten und ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen. Im Gegenteil hielt man die Werkgattung Denkmal für hoffnungslos überholt und setzte stattdessen auf Geschichtswerkstätten, Ausstellungen, Bücher, Filme und Theaterstücke. Dieses Engagement einer „Geschichte von unten“ bildete in den 1980er Jahren eine Art soziale Bewegung.60 Es waren überwiegend nicht-staatliche Akteurinnen und Akteure, vorwiegend einer linken politischen Kultur zugehörig, die sich in diesem Zusammenhang engagierten.


Inzwischen, ein gutes Vierteljahrhundert später, hat sich das Gedenken an den NS-Genozid als „nationale Aufgabe“61 etabliert. Es gibt nicht nur den bereits erwähnten offiziellen „Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus“, sondern seit 2000 auch eine Gedenkstättenförderkonzeption des Bundes. Innerhalb der zunehmenden staatlichen Institutionalisierung der Erinnerungskultur – der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, Volkhard Knigge, spricht von einer „Nationalisierung negativen Gedenkens“62 – kommt Denkmälern eine Schlüsselrolle zu. Ob Gegendenkmäler oder traditionelle Denkmäler – die Werkgattung Denkmal bedingt den Übergang von nichtstaatlichen zu staatlichen AkteurInnen. Außerdem setzen Denkmäler weitaus stärker als andere kulturelle Artefakte auf symbolische Politik.


Dem traditionellen Denkmal ist ein gemeinschaftsstiftender Anspruch eigen. Es zielt auf Sinn- und Identitätsstiftung ab, nicht selten mit einem heroisierenden Gestus.63 Traditionell war es die Figur des Herrschers, des Kriegerhelden oder auch der weiblichen Allegorie, mit deren Hilfe Denkmäler entsprechende kollektive Identifikationsangebote formulierten.64 Nachdem Deutsche unter der Führung des NS-Regimes Millionen Menschen ermordet hatten, waren Denkmalsetzungen im demokratisch verfassten deutschen Nachfolgestaat lange Zeit ein Problem. Dies hat sich mit der Konjunktur des Gegendenkmals verändert. Ohne sein Aufkommen hätten wir heute vermutlich keinen Anlass, über ein Homosexuellen-Denkmal zu diskutieren.


Das Gegendenkmal nimmt für sich in Anspruch, gesellschaftskritische Impulse zu geben, sich sinn- und identitätsstiftenden Funktionen zu verweigern.65 Meine Untersuchung zweier prominenter Beispiele dieses neuen Denkmaltypus66 kommt indes zu einem gänzlich anderen Ergebnis: Auch die von mir untersuchten Gegendenkmäler bringen unversehens problematische Vergangenheitsdeutungen hervor. Zwar wurde in beiden Fällen die traditionelle Denkmalform, die Vertikale, in den Erdboden versenkt – verbunden mit dem Anspruch, eine kritische Auseinandersetzung mit der NS-Zeit zu ermöglichen. Dennoch waren beide Denkmäler Anlass zu impliziten Erzählungen von feminisierten Opfern, heroischer Männlichkeit und symbolischen Wunden der Nation. Diese rücken nicht verfolgte Deutsche und deren Nachkommen als Leidtragende in den Vordergrund; das Leid der Verfolgten und Ermordeten wird auf diese Weise letztlich ausgeblendet. Die umrissenen Vergangenheitsdeutungen sind, wie ich nachweisen konnte, eng verzahnt mit den Bemühungen einer linken politisch-kulturellen Elite, sich gegenüber der NS-Zeit zu verorten.67 Im Sinne einer unbewussten Selbstverständnisdebatte kreist dieses Bemühen um generations- und geschlechtsspezifische Verunsicherungen, die einem Selbstentwurf als „handelndes, geschichtswirksames Subjekt“ 68 im Wege stehen.


Die Soziologin Lerke Gravenhorst hat in ihrer Studie zur geschlechtsspezifischen Aneignung der NS-Zeit durch die Nachfolgegeneration festgestellt, dass die Herstellung eigener Geschichtsmächtigkeit angesichts der NS-Vergangenheit insbesondere männliche Nachgeborene umtreibt.69 Dies gründet zum einen in einer sozialisationsbedingten männlichen Affinität zu einem Selbstentwurf als „zukünftige[r] Gestalter der Geschichte“.70 Zum anderen ist die skizzierte geschlechtsspezifische Aneignung mit einer stärkeren Notwendigkeit männlicher Nachgeborener zu erklären, sich von einer problematischen Geschichte abzugrenzen, die gemeinhin als Geschichte der Väter71 gilt. Im Kontext der Gegendenkmäler, die ich untersucht habe, wird in zuweilen beklemmender Weise die Ambivalenz der männlichen Akteure sichtbar: Einerseits streben sie danach, sich in eine männliche Genealogie einzuschreiben, andererseits erscheinen sie zutiefst verunsichert angesichts der NS-Täterschaft innerhalb ihrer Vätergeneration. Als Ergebnis dieser Ambivalenz geraten ihnen die Gegendenkmäler unter der Hand zu Orten der Selbstversicherung: Dort können subjektiv erlebte Beschädigungen von Männlichkeit deponiert und scheinbar überwunden werden. Die Hinwendung zum Denkmal in der bundesdeutschen Erinnerungskultur der letzten beiden Jahrzehnte ist demnach als Symptom und Medium männlicher identitätspolitischer Bestrebungen zu entziffern.72 Diese Bestrebungen suchen eine mögliche väterliche Täterschaft zu bewältigen, die Auseinandersetzung damit gleichwohl zu vermeiden. 


Im Unterschied zu den von mir untersuchten Gegendenkmälern trug die Initiative für ein Schwulendenkmal identitätspolitische Anliegen geradezu selbstbewusst vor: „Für schwule Identität und schwule Gemeinschaft“73 lautet eine Zwischenüberschrift in der Denkschrift von 1995. „Schwule Männer erheben den Anspruch, daß ihrer Verfolgung gesamtgesellschaftlich gedacht wird“,74 erklärte die Initiative seinerzeit ihr Engagement. In dieser Formulierung wird deutlich, dass die Akteure sich als gesellschaftliche Gruppe kollektiv mit den verfolgten männlichen Homosexuellen der NS-Zeit identifizieren. Das Denkmal solle, so hieß es weiter, „ein Ort der Selbstvergewisserung“75 für Schwule sein. Die Erinnerung an verfolgte Homosexuelle sollte also die Identität schwuler Männer in der Gegenwart stärken. Besonders augenfällig wird diese Bezugnahme der Akteure in der Verwendung familiärer Bezeichnungen für verfolgte Homosexuelle der NS-Zeit. Da ist die Rede von der fehlenden „schwulen Väter- und Großvätergeneration“.76 Dies macht deutlich, dass sich hier Nachgeborene zu Wort melden, und mutet wie ein Versuch an, sich in eine unbelastete männliche Genealogie einzuschreiben – ein Unterfangen, das im Kontext der eigenen Herkunftsfamilie für die meisten schwulen deutschen Männer weitaus schwieriger sein dürfte als die Konstruktion einer imaginären „schwulen Ahnenreihe“.77 


Standbild Filmsequenz Homomonument © Corinna Tomberger 2009
Standbild der Filmsequenz (2009)

Erinnern wir uns an die Auslobung des Wettbewerbs: Ein „Ort der Selbstvergewisserung“ für Schwule und Lesben war dort gefordert. Der prämierte Entwurf von Elmgreen und Dragset leistet eben dies und zwar, wie von der Initiative Schwulendenkmal seinerzeit gewünscht, exklusiv für schwule Männer. Die Verschmelzungsphantasie, die die ursprünglich vorgesehene Filmsequenz eines endlosen mannmännlichen Kusses homosexuellen Männern offeriert, verstärkt und erotisiert das darin enthaltene Identifikationsangebot mit den Verfolgten.


In der bruchlosen Formulierung eines Identifikationsangebotes fällt der prämierte Entwurf konzeptuell hinter jenen selbstreflexiven Anspruch zurück, der mit dem Typus des Gegendenkmals zumindest erhoben, wenn auch nicht eingelöst wurde: Die identitätsstiftende Funktion von Denkmälern sollte zurückgewiesen werden, um ein angemessenes Gedenken an die Verfolgten im Land der Täter zu ermöglichen. 


Nun mag der eine oder andere einwenden, dass es sich bei homosexuellen Männern doch um eine Opfergruppe handelt, die ein Anrecht darauf hat, sich mit den Verfolgten zu identifizieren. Allerdings ging Homosexualität nicht notwendigerweise mit Gegnerschaft zum NS-Regime einher. Auch unter dessen AnhängerInnen gab es Homosexuelle. Dass homosexuelle Wahlverwandtschaften keineswegs eine eindeutige Zuordnung erlauben, veranschaulicht der folgende Kommentar eines Schwulen während eines Besuchs der Gedenkstätte Auschwitz: „Ich habe gedacht, ich fahre hier hin als Angehöriger einer der damaligen Opfergruppen. Aber ich bin auch Deutscher. Ich gehöre auch dem Volk der ehemaligen Täter an. Wie soll ich diese Schizophrenie aushalten?“78 


Der prämierte Entwurf löst diese „Schizophrenie“ mittels identitätspolitischer Vereindeutigungen. Die simple Einschreibung in eine Genealogie der Opfer79 liefert indes keine Hilfestellung dafür, wie schwule deutsche Männer heute sich die NS-Vergangenheit aneignen können – nicht selten in der widersprüchlichen Situation, neben möglichen Nachwirkungen der Homosexuellenverfolgung innerhalb der schwulen Community auch ein vermutetes negatives Erbe aus der NS-Zeit innerhalb der eigenen Herkunftsfamilie anzutreten. Dies blieb bei dem geplanten Denkmal indes außen vor, da die exklusive Adressierung schwuler Männer nicht offensiv vertreten, sondern mit dem Deckmantel einer vermeintlich Lesben und Schwule gleichermaßen einschließenden Widmung camoufliert wurde. Eben diese rhetorische Vereinnahmung bei gleichzeitiger faktischer Ausblendung ist m.E. auch der eigentliche Grund für die massiven Proteste von lesbischer Seite. Ich denke sogar, dass nur wenige Unterzeichnerinnen des Emma-Aufrufs überzeugte Vertreterinnen des Anliegens sind, Lesben in die Homosexuellenverfolgung der NS-Zeit einzuschreiben. Vielmehr nutzten viele dieses Forum, um öffentlichkeitswirksam ihrem Unmut darüber Ausdruck zu verleihen, dass Lesben mitgemeint sein sollen, wenn ausschließlich schwule Männer vorkommen.80 


Alternativen  


Die Wiener Politologin Gudrun Hauer fragte Anfang dieses Jahres in einem kritischen Beitrag zu dem geplanten Homosexuellen-Denkmal nach der politischen Funktion des schwulen Opfermythos.81 Die Stiftung einer kollektiven schwulen Identität ist eine Antwort, die die Akteure von sich aus geben. Die Möglichkeit, eine Auseinandersetzung mit dem männlich besetzten, negativen Erbe der NS-Zeit zu vermeiden, möchte ich als weitere hinzufügen. Hauer endet mit der Forderung an die schwulen Diskursteilnehmer, Verzicht zu üben „auf die Ausübung männlicher Privilegien aufgrund des Status des Mann-Seins – auch und gerade in der öffentlichen Sphäre“82 Ich verstehe ihre Forderung als Plädoyer, auf das geplante Denkmal in Berlin zu verzichten. Angesichts des fortgeschrittenen Verfahrens ist dies wenig wahrscheinlich.  


Abschließend möchte ich einen weiteren Wettbewerbsentwurf vorstellen, der statt eines vereindeutigenden Identifikationsangebotes eine vielschichtigere Perspektive eröffnet hätte. Als einer der wenigen stellt er Information und Vermittlung in den Mittelpunkt. Esther Shalev-Gerz formulierte die Anforderungen an ihren Entwurf folgendermaßen: „Der Ort sollte den Besucher für die vielschichtige Thematik sensibilisieren, indem er ihn mit unterschiedlichen Aspekten der Homosexualität und deren Verfolgung im Spannungsfeld zwischen Intimsphäre und Öffentlichkeit konfrontiert, ihn formell in die Gestaltung einbezieht und auffordert seine eigene Position zu reflektieren.“83


Homomonument © Corinna Tomberger 2009
Rückansicht des Denkmals mit Ebertstraße
und Denkmal für die ermordeten Juden
Europas im Hintergrund (2009)

Shalev-Gerz hat mit „Vis-à-Vis“ einen Ort der Begegnung und des Dialogs vorgeschlagen. Zwar stellt der Entwurf mit einer dreieckigen rosa Platte im Zentrum auch ein symbolisches Objekt zur Verfügung. Der Schwerpunkt liegt aber auf der Vermittlung historischer Fakten, Geschichten und Deutungen. Dies sollen historisch-dokumentarische, biografische und literarische Texte ermöglichen, die als Siebdruck hinter Glas in die Betonoberflächen einer Spiralform eingelassen werden. Vis-à-vis angeordnete Sitzmöglichkeiten fungieren als formale Dialogangebote. Die Jury sortierte den Entwurf bereits in der ersten Runde aus: „zu konstruiert und didaktisch“,84 lautete die Kritik.


Corinna Tomberger (Berlin 2007)


Text als pdf zum Download Inhalt


Zitiervorschlag:
Tomberger, Corinna: Wessen Gedenken? Geschlechterkritische Fragen an das geplante Homosexuellen-Mahnmal. Berlin 2007. [online] Availiable from: Online-Projekt Lesbengeschichte. Boxhammer, Ingeborg/Leidinger, Christiane. URL: <https://www.lesbengeschichte.org/ns_mahnmal_berlin_d.html> [cited date].


Also available in print version: Tomberger, Corinna: Wessen Gedenken? Geschlechterkritische Fragen an das geplante Homosexuellen-Mahnmal. Scan aus: Invertito – Jahrbuch für die Geschichte der Homosexualitäten. Hamburg: Männerschwarm Verlag. Jg. 9, 2007, S. 137-155.
Die Bereitstellung des Scan-Downloads erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Männerschwarm Verlags.


Nachtrag (2010): Das Homosexuellen-Denkmal seit seiner Übergabe 2008


Seit Frühjahr 2008 ist der prämierte Entwurf von Michael Elmgreen und Ingar Dragset Teil der hauptstädtischen Gedenklandschaft. Während das Land Berlin das Grundstück für das Denkmal zur Verfügung stellte und verantwortlich für Planung und Durchführung zeichnete, trug der Bund die Kosten für die Errichtung von 600.000 Euro. So war es denn auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann, der das Denkmal am 27. Mai 2008 in einem feierlichen Akt der Öffentlichkeit übergab – in Anwesenheit zahlreicher geladener Gäste und unter großem Presseandrang. Neben dem Staatsminister hielten der Regierende Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit, Vertreter der Denkmalinitiative und des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) sowie eine Vertreterin der International Lesbian and Gay Association (ILGA) Reden.


Kurioserweise thematisierte gerade der Kulturstaatsminister ausführlich die lesbisch-schwule Kontroverse um das Denkmal sowie die daraus resultierende Kompromisslösung. Neumann begrüßte die Entscheidung, „nach zwei Jahren die Filmsequenz der küssenden Männer durch einen Film mit einer weiblichen Perspektive zu ersetzen“,85 da der Bundestagsbeschluss, wie er hervorhob, mit dem Denkmal auch ein „Zeichen und Bekenntnis gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen und Lesben“ vorgesehen hatte. Nicht zuletzt aufgrund vorangegangener „intensiver, oftmals sehr kontrovers geführter öffentlicher Diskussionen“ interpretierte Neumann das Denkmal als „Zeichen einer gereiften demokratischen Gesellschaft“.


Während also der Repräsentant der Bundesregierung die lesbisch-schwule Streitkultur als Ausdruck einer pluralistischen Demokratie würdigte, betonte der Sprecher des LSVD, Günter Dworek, die nationale Dimension des Denkmals: „63 Jahre nach der Befreiung gibt es nun für […] [die ermordeten Homosexuellen] einen nationalen Ort der Erinnerung. Endlich!“86 Darüber hinaus stellte Dworek das Denkmal als „Meilenstein gesellschaftlicher Anerkennung“ und „Landmarke schwulen und lesbischen Selbstbewusstseins“ in den Zusammenhang emanzipatorischer Errungenschaften und schwul-lesbischer Selbstvergewisserung in der Bundesrepublik. In diesem Sinne wollte auch Albert Eckert, einer der Gründer der Denkmalinitiative, das Homosexuellen-Denkmal verstanden wissen: „ein kleines, dabei unübersehbares und kraftvolles Zeichen für uns mitten in Berlin“.87



Informationstafel in deutscher und englischer Sprache am Fußweg parallel zur Ebertstraße (2009)
Gedenktafeltext in Deutsch Inhalt


Seit seiner Übergabe hat das Homosexuellen-Denkmal eine rege Nutzung im Kontext lesbisch-schwuler Identitäts- und Interessenpolitik erfahren. Obgleich das Denkmal von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas betreut wird,88 tritt als Initiator von Veranstaltungen vorrangig der LSVD in Erscheinung. Mehrfach hat der Verband, zum Teil gemeinsam mit der Stiftung, zu Gedenkfeiern am Homosexuellen-Denkmal eingeladen. Nicht nur Gedenk- und Jahrestage, sondern auch der Christopher Street Day, internationaler Tag der Demonstration lesbisch-schwulen Selbstbewusstseins, war Anlass dazu.89 Das Bildungs-Sozialwerk des LSVD stellt eine umfangreiche Internetpräsenz des Denkmals sicher.90 Angesichts mehrfacher Attacken rief der LSVD wiederholt zu Kundgebungen und Mahnwachen am Denkmal auf91 und trat bei diesem Anlass mit einem Transparent auch deutlich sichtbar als Organisation in Erscheinung.92 Nach der dritten Attacke auf das Denkmal verknüpfte der Verband seine Stellungnahme ausdrücklich mit der Forderung nach einem Nationalen Aktionsplan gegen Homophobie,93 einer Kampagne, die inzwischen auf Berliner Ebene vom LSVD etabliert wurde.94


Das Homosexuellen-Denkmal, so lässt sich resümieren, ist selbstverständlicher Bestandteil der Politik des LSVD geworden, dem eigenen Verständnis nach ein Bürgerrechts-, Selbsthilfe- und Solidarverband für Lesben und Schwulen in Deutschland. Der Erinnerungsort wird als symbolpolitische Ressource in Anspruch genommen, um aktuellen politischen Forderungen Gewicht zu verleihen. Bevor das Denkmal errichtet wurde, hatte die Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten der Bundesrepublik Deutschland sich besorgt über die Tendenz geäußert, das Homosexuellen-Denkmal für gegenwärtige und zukünftige politische Zwecke in Dienst zu nehmen. Die kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, so die Befürchtung der Arbeitsgemeinschaft, werde dadurch beschädigt und delegitimiert. Jene „politische Instrumentalisierung des Gedenkens“,95 gegen die sich die Arbeitsgemeinschaft wandte, ist in dem Homosexuellen-Denkmal aufgrund seiner Zweckbestimmung, „für die heutige Zeit ein Zeichen gegen Ausgrenzung von Schwulen und Lesben zu setzen“,96 strukturell angelegt.


Auch wenn die politischen Absichten der AkteurInnen nachvollziehbar sind, bleibt doch ein Unbehagen angesichts der Indienstnahme des Denkmals für gegenwärtige lesben- und schwulenpolitische Anliegen. Inwieweit das Denkmal die Widmungsgruppe, die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen, überhaupt in den Fokus zu rücken vermag ist fraglich, zumal auch dessen Erläuterungstext sich abschließend der Gegenwart und der Homosexuellenfeindlichkeit in anderen Ländern zuwendet.97 Der thematische Brückenschlag zur NS-Zeit funktioniert m.E. allein durch die formale Bezugnahme und räumliche Nähe zum Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Letztlich, so ließe sich zugespitzt formulieren, wird auf diese Weise auch jenes Denkmal für die aktuellen politischen Anliegen der Akteurinnen und Akteure in Dienst genommen.


Der beabsichtigte Filmwechsel wird an der derzeitigen Nutzung vermutlich wenig ändern. Das Gegenteil ist zu befürchten, sollte sich die Erwartung Albert Eckerts von der Denkmalinitiative erfüllen, dass die wechselnden Filmsequenzen „immer wieder neu sexualpolitische Debatten um Identität und Geschlecht reflektieren und anstoßen“.98 Der historische Bezugspunkt des Denkmals könnte mit der Zeit mehr und mehr zu einer bloßen Fußnote gegenwärtiger identitätspolitischer Auseinandersetzungen verkümmern.


Unter den nunmehr Verantwortlichen scheint wenig Klarheit zu bestehen, welchem Zweck der für Mai 2010 vorgesehene Filmwechsel eigentlich dienen soll. In einer Ausschreibung der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas vom April 2009 kündigte deren Geschäftsführer an, die derzeitige Filmsequenz solle durch die „Interpretation einer gleichgeschlechtlichen Kussszene“99 anderer Künstlerinnen und Künstler ersetzt werden. „Auf diese Weise wird sich das Denkmal ständig verändern“, begründete das Schreiben das Vorhaben. Demgegenüber hatte die Bundesregierung am 27. Mai 2008 angekündigt: „Um auch der Opfergruppe der Lesben gerecht zu werden, wird die Sequenz in zwei Jahren durch eine entsprechende Szene sich küssender Frauen ersetzt.“100 Ingar Dragset wiederum, einer der beiden Künstler, erklärte im Mai 2008: „Es gibt kein Lesben-Video als nächstes“, und räumte im Anschluss ein: „Es soll jedes Mal eine andere Sicht von homosexueller Liebe zeigen und dabei können natürlich lesbische Regisseurinnen ihre Werke einreichen.“101


Im Oktober 2009 veröffentlichte die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas ihre Ausschreibung neuerlich, in einer veränderten Fassung. Die eigentlichen Anforderungen an den zukünftigen Film sind identisch formuliert, die Rede ist wiederum allgemein von der „Interpretation einer gleichgeschlechtlichen Kussszene“.102


Die Auslober sehen, wie sich schlussfolgern lässt, keine Notwendigkeit, die Beschränkung auf die Repräsentation schwuler Männer zu revidieren. Demgegenüber legt der zweiteilige Anhang der Ausschreibung andere Erwartungen nahe. Sowohl die angefügte Darstellung der Denkmaldebatte als auch die ergänzende Pressemitteilung der Bundesregierung vom Juni 2007 heben die Möglichkeit hervor, der mannmännlichen Kussszene mit dem Filmwechsel eine Kussszene zweier Frauen nachfolgen zu lassen. Dabei verweisen sie auf die dritte Aufgabe des Gedenkortes, „für die heutige Zeit ein Zeichen gegen Ausgrenzung von Schwulen und Lesben zu setzen“ – auf jenes Anliegen also, das Lesben ausdrücklich einbezieht.


Außen vor bleiben in der Neuausschreibung des Films die strukturellen Probleme, die in der disparaten Aufgabenstellung an das Denkmal begründet sind. Der Versuch, mit dem Gedenken an historisches Unrecht eine gegenwartsbezogene politische Zweckbestimmung zu verbinden, hat sich schließlich als äußerst heikel und problematisch erwiesen. Statt dies kritisch zu reflektieren, begegnen die Auslober ungleichen Erwartungen an das Denkmal neuerlich mit einer unklar formulierten, widersprüchlichen Ausschreibung. Das daraus resultierende Dilemma bleibt der Kunst überlassen. Die nächste Auseinandersetzung um das Denkmal wird, wie es scheint, nicht lange auf sich warten lassen.




Corinna Tomberger (Berlin 2010)


Nachtrag zum Text der Autorin „Wessen Gedenken? Geschlechterkritische Fragen an das geplante Homosexuellen-Mahnmal“ (2007)


Nachtrag zum Download Inhalt


Zitiervorschlag:
Tomberger, Corinna: Nachtrag (2010): Das Homosexuellen-Denkmal seit seiner Übergabe 2008. Nachtrag zum Text „Wessen Gedenken? Geschlechterkritische Fragen an das geplante Homosexuellen-Mahnmal.“ Berlin 2010. [online] Availiable from: Online-Projekt Lesbengeschichte. Boxhammer, Ingeborg/Leidinger, Christiane. URL: <https://www.lesbengeschichte.org/ns_mahnmal_berlin_d.html> [cited date].





2 Bernau, Nikolaus: Hat jemand die Frauen vergessen?, in: Berliner Zeitung, 30.8.2006,
https://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2006/0830/feuilleton/0053/index.html? (16.4.2007).


3 NN: Mal wieder die Frauen vergessen!, in: https://www.emma.de/472.html (16.4.2007).


4 Schwarzer, Alice: Im Getto des Kitsches, in: https://www.emma.de/im_getto_des_kitsches_01_2007.html (16.4.2007).


5 Volker Beck, zitiert nach NN: Mal wieder die Frauen vergessen!, in: https://www.emma.de/472.html (16.4.2007).


7 Vgl. Zastrau, Eberhard: Kein Kompromiss im Denkmalstreit, in: https://www.queer.de/szene_politik_deutschland_detail.php?article_id=6250 (16.4.2007).


9 Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung: Kulturstaatsminister Bernd Neumann erzielt Einigung beim Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen, Pressemitteilung Nr. 216,  4.6.2007, in: http://www.gedenkort.de/ (27.8.2007). Angaben über die Finanzierung der Folgevideos finden sich darin nicht.


10 Bernau, Nikolaus: Der Block ist schwul, in: Berliner Zeitung, 10.4.2006, https://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2006/0410/feuilleton/000 5/index.html (16.4.2007).


11 Vgl. Senatsverwaltung für Jugend und Familie, Fachbereich für gleichgeschlechtliche Lebensweisen (Hg.): Der homosexuellen NS-Opfer gedenken. Denkschrift, Berlin: Senatsverwaltung für Jugend und Familie, Fachbereich für gleichgeschlechtliche Lebensweisen 1995, S. 6, 26, Dokumente lesbisch-schwuler Emanzipation Nr. 12/1995. Downloadmöglichkeit: https://www.berlin.de/lb/ads/gglw/publikationen.


12 Senatsverwaltung 1995, S. 16.


13 Senatsverwaltung 1995, S. 8.


14 Senatsverwaltung 1995, S. 14.


15 Senatsverwaltung 1995, S. 8.


16 Leserbrief von Thorsten Sandner, in: Siegessäule, Nr. 2/2007, S. 6. Vgl. auch die polemische Anmerkung eines Teilnehmers der Diskussion im Januar 2007, „er würde jedem einzelnen ermordeten homosexuellen KZ-Häftling die Chance gewünscht haben, durch Maskierung und Unsichtbarwerden diesem Schicksal entgangen sein zu können“. Zitiert nach: https://www.queer.de/szene_politik_deutschland_detail.php? article_id=6250 (16.4.2007).


17 Feddersen, Jan: Falsche Opferpolitik, in: taz vom 28.8.2006, https://www.taz.de/pt/2006/08/28/a0116.1/text (16.4.2007).


18 Louis, Chantal: Die Zeit der Maskierung, in: https://www.emma.de/lesben_ns_zeit_1_2007.html (16.4.2007).


19 Vgl. Klatt, Norbert: Zur strafrechtlichen Situation von homosexuellen Männern und Frauen im „Großdeutschen Reich“, in: Invertito. Jahrbuch für die Geschichte der Homosexualitäten, 7 (2005), S. 88-105.


20 Schoppmann, Claudia: Zeit der Maskierung. Zur Situation lesbischer Frauen im Nationalsozialismus, in: Jellonnek, Burkhard / Lautmann, Rüdiger (Hg.): Nationalsozialistischer Terror gegen Homosexuelle. Verdrängt und ungesühnt, Paderborn u.a.: Schöningh 2002, S. 71-81, S. 81.


21 Für Berlin vgl. Pretzel, Andreas: Vom Staatsfeind zum Volksfeind: Zur Radikalisierung der Homosexuellenverfolgung im Zusammenwirken von Polizei und Justiz, in: Nieden, Susanne zur (Hg.): Homosexualität und Staatsräson. Männlichkeit, Homophobie und Politik in Deutschland 1900-1945, Frankfurt a.M.: Campus Verlag 2005, S. 217-252. Für Hamburg vgl. Micheler, Stefan: Selbstbilder und Fremdbilder der „Anderen“. Eine Geschichte Männer begehrender Männer in der Weimarer Republik und der NS-Zeit, Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2005, S. 285-339. Für Köln vgl. Müller, Jürgen: Ausgrenzung der Homosexuellen aus der „Volksgemeinschaft“: Die Verfolgung der Homosexuellen in Köln 1933-1945, Köln: Emons 2003. Zu einer vergleichenden Zusammenführung der drei Studien vgl. Micheler, Stefan / Müller, Jürgen K. / Pretzel, Andreas: Die Verfolgung homosexueller Männer in der NS-Zeit und ihre Kontinuität. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Großstädten Berlin, Hamburg und Köln, in: Invertito. Jahrbuch für die Geschichte der Homosexualitäten, 4 (2002), S. 8-51.


22 Vgl. Schoppmann 2002, S. 72; Hoffschildt, Rainer: 140.000 Verurteilungen nach „§ 175“, in: Invertito. Jahrbuch für die Geschichte der Homosexualitäten, 4 (2002), S. 140-149.


23 Vgl. den offenen Brief von Joachim Müller, abgedruckt in: Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.): Der homosexuellen NS-Opfer gedenken, Berlin: Heinrich-Böll-Stiftung 1999, S. 120f.


24 „[…] zu groß erschienen die Unterschiede zwischen Lesben und Schwulen historisch und in der Gegenwart", erinnert Ulrike Janz die Gründe gegen die Mitarbeit; zitiert nach: Das Denkmal für die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus in der Diskussion, in: https://www.lsvd.de/gedenk-ort/aktuell.htm (30.8.2007).


25 Initiative HomoMonument: HomoMonument. Eine Replik auf eine selbstgestellte Frage, in: Heinrich-Böll-Stiftung 1999, S. 11-18, S. 14.


26 Müller, Joachim, in: Heinrich-Böll-Stiftung 1999, S. 120.


27 Senatsverwaltung 1995, S. 5.


37 Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Kunst im Stadtraum und am Bau: Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen. Eingeladener Kunstwettbewerb. Auslobung, Berlin 2005, S. 35. PDF-Datei: http://www.gedenkort.de/files/GedO_Auslobung_dt_engl.pdf unter http://www.gedenkort.de/beirat.htm (24.4.2007).


38 Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Kunst im Stadtraum und am Bau: Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen. Dokumentation des Auftaktkolloquiums, Berlin 2005, S. 27. PDF-Datei: http://www.gedenkort.de/files/Kolloquium_Doku.pdf unter http://www.gedenkort.de/kolloquium. htm (24.4.2007).


39 Senatsverwaltung 2005: Kolloquium, S. 29.


40 Schachtebeck, Ric: Ein Kuss ist ein Kuss, in: https://www.artnet.de/magazine/features/schachtebeck/schachtebeck05-09-06.asp (16.4.2007).


41 Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Kunst im Stadtraum und am Bau: Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen. Eingeladener Kunstwettbewerb. Protokoll der Preisgerichtssitzung. Bericht der Vorprüfung, Berlin 2006, S. 52 (1017). PDF-Datei: http://www.gedenkort.de/files/GedO_Protokoll_Jury.pdf unter http://www.gedenkort.de/entwuerfe.htm (28.8.2007).


42 Senatsverwaltung 2006, S. 20 (1001).


43 Senatsverwaltung 2006, S. 32 (1007).


44 Senatsverwaltung 2006, S. 28 (1005).


45 Senatsverwaltung 2006, S. 24 (1003).


46 Judith Hopf, Berliner Künstlerin; Eva Schmidt, Museum für Gegenwartskunst Siegen; vgl. Senatsverwaltung 2006, S. 9.


47 Senatsverwaltung 2006, S. 4 (1013).


48 Senatsverwaltung 2006, S. 8.


49 Zur vorgesehenen Aufwandsentschädigung vgl. Senatsverwaltung 2005: Auslobung, S. 25.


50 Zum im Folgenden geschilderten Ablauf der Aktion vgl. http://www.gedenkort.de/pm010702.htm (16.4.2007).


53 Lentes, Thomas: Der Körper als Ort des Gedächtnisses – Der Körper als Text, in: Geissmar-Brandi, Christoph (Hg.): Glaube Hoffnung Liebe Tod, Klagenfurt: Ritter 1995, S. 76.


54 Vgl. Moeller, Robert G.: The Search for a Usable Past in the Federal Republic of Germany, in: American Historical Review, 101 (1996), Nr. 4, S. 1008-1048, S. 1013, der dies für die Diskussion um die Deutschen in sowjetischer Kriegsgefangenschaft aufzeigt.


55 Erstausstrahlung auf ARTE und wenige Tage später in der ARD im März 2007.


56 Erstausstrahlung im ZDF im März 2006.


57 Vgl. Tomberger, Corinna: Das Gegendenkmal. Avantgardekunst, Geschichtspolitik und Geschlecht in der bundesdeutschen Erinnerungskultur, Bielefeld: transcript-Verlag 2007.


58 Geprägt hat diesen Begriff der Denkmalexperte James E. Young. Vgl. Young, James E.: The Counter-Monument: Memory against Itself in Germany Today, in: Critical Inquiry, Nr. 8 (1992), S. 267-297.


59 Spielmann, Jochen: Stein des Anstoßes oder Schlußstein der Auseinandersetzung? Bemerkungen zum Prozeß der Entstehung von Denkmalen und zu aktuellen Tendenzen, in: Mai, Ekkehard / Schmirber, Gisela (Hg.): Denkmal – Zeichen – Monument. Skulptur und öffentlicher Raum heute, München: Prestel 1989, S.110-114, S. 111.


60 Dazu gehörte insbesondere die Gründung lokaler Geschichtswerkstätten, die 1982 ihr erstes bundesweites Treffen ausrichteten und im Folgejahr einen bundesweiten Verein gründeten; vgl. Frei, Alfred Georg: Alltag – Region – Politik. Anmerkungen zur „neuen Geschichtsbewegung“, in: Geschichtsdidaktik. Probleme, Projekte, Perspektiven, 9 (1984), H. 2, S. 107-120, S. 107 u. 117.


61 Knigge, Volkhard: Statt eines Nachworts: Abschied der Erinnerung. Anmerkungen zum notwendigen Wandel der Gedenkkultur in Deutschland, in: Knigge, Volkhard / Frei, Norbert (Hg.): Verbrechen erinnern. Die Auseinandersetzung mit Holocaust und Völkermord, München: Beck 2002, S. 423-440, S. 424.


62 Knigge 2002, S. 423.


63 Vgl. Mittig, Hans-Ernst: Das Denkmal, in: Deutsches Institut für Fernstudien Tübingen (Hg.): Funkkolleg Kunst, Studieneinheit 21, Studienbegleitbrief 8, Weinheim u. Basel: Beltz 1985, S. 43-84.


64 Vgl. Koselleck, Reinhart: Kriegerdenkmale als Identitätsstiftungen der Überlebenden, in: Marquard, Odo / Stierle, Karlheinz (Hg.): Identität, München: Fink 1979, S. 255-276; Wenk, Silke: Versteinerte Weiblichkeit. Allegorien in der Skulptur der Moderne, Köln, Weimar u. Wien: Böhlau 1996, insbesondere S. 75-127.


65 Vgl. Tomberger 2007, S. 12-15.


66 Meine Studie untersucht das „Harburger Mahnmal gegen Faschismus, Krieg, Gewalt – für Frieden und Menschenrechte“ (1986) von Jochen Gerz und Esther Shalev-Gerz sowie den Kasseler „Aschrottbrunnen“ (1987) von Horst Hoheisel; vgl. Tomberger 2007.


67 Vgl. Tomberger 2007, insbesondere S. 323-330.


68 Gravenhorst, Lerke: Moral und Geschlecht. Die Aneignung der NS-Herrschaft, Freiburg: Kore 1997, S. 300.


69 Vgl. Gravenhorst 1997. Ähnlich bemerkt dies am Rande auch Roberts, Ulla: Spuren der NS-Zeit im Leben der Kinder und Enkel, München: Kösel 1998, S. 205.


70 Roberts 1998, S. 205.


71 Dies belegen etwa die sogenannten „Väterbücher“, autobiografische Erzähltexte NS-nachgeborener Söhne, seltener auch Töchter; vgl. Vogt, Jochen: Von der ersten zur zweiten Schuld. Modelle literarischer Faschismusverarbeitung, in: ders.: „Erinnerung ist unsere Aufgabe“. Über Literatur, Moral und Politik 1945-1990, Opladen: Westdeutscher Verlag 1991, S. 9-27.


72 Angesichts der Beteiligung einer weiblichen Künstlerin jüdischer Herkunft am „Harburger Mahnmal“ mag dieser Befund auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen. Allerdings wird Esther Shalev-Gerz innerhalb einer asymmetrischen Autorschaftskonstruktion nicht als eigenständige Deutungsautorität rezipiert, sondern vielmehr als ein den nichtjüdischen Künstler legitimierendes Attribut; vgl. Tomberger 2007, S. 106-115.


73 Senatsverwaltung 1995, S. 15.


74 Senatsverwaltung 1995, S. 15.


75 Senatsverwaltung 1995, S. 11.


76 Initiative HomoMonument 1999, S. 17. Zu einer Kritik daran vgl. Tomberger, Corinna: „Der homosexuellen NS-Opfer gedenken“ – Anmerkungen zu einer Denkmalinitiative, in: 1999. Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts, 13 (1998), H. 1, S. 227-230, S. 228.


77 Zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dieser identitätspolitischen Praxis vgl. Micheler, Stefan / Michelsen, Jakob: Geschichtsforschung und Identitätsstiftung. Von der „schwulen Ahnenreihe“ zur Dekonstruktion des Homosexuellen, in: Grumbach, Detlef (Hg.): Was heißt hier schwul? Politik und Identitäten im Wandel, Hamburg: MännerschwarmSkript 1997, S. 94-110.


78 Zitiert nach Steakley, James D.: Selbstkritische Gedanken zur Mythologisierung der Homosexuellenverfolgung im Dritten Reich, in: Jellonnek/Lautmann 2002, S. 55-68, S. 60.


79 Vgl. auch Steakley 2002, S. 62.


80 Die äußerst vage Formulierung des Aufrufs – „Ich protestiere dagegen, dass das geplante Homo-Denkmal in Berlin ausschließlich männliche Homosexuelle zeigt und fordere, dass auch die weiblichen Homosexuellen angemessen berücksichtigt werden“ – war zudem offen für unterschiedliche Interpretationen dessen, was unter einer angemessenen Berücksichtigung von Lesben zu verstehen sei. Vgl. Unterschriftenaktion: Für Frauen im Homo-Denkmal!, in: https://www.emma.de/472.html (28.8.2007).


81 Vgl. Hauer, Gudrun: Ein- und Ausschlüsse, in: Gigi. Zeitschrift für sexuelle Emanzipation, Nr. 47 (Januar/Februar 2007), S. 6-9, S. 9.


82 Hauer 2007, S. 9.


83 Senatsverwaltung 2006, S. 46 (1014).


84 Senatsverwaltung 2006, S. 3 (1014).


85 Diese und die im Folgenden zitierten Äußerungen Bernd Neumanns im O-Ton unter https://de.youtube.com/watch?v=tSf61Up-sw4 (7.10.2009).


86 Zu diesem und dem folgenden Zitat Dworeks siehe http://www.homo-denkmal.lsvd.de/index.php?view=article&id=19 (7.10.2009).


88 Auf der Homepage der Stiftung befindet sich ein eigener Menüpunkt mit Informationen über das Homosexuellen-Denkmal; vgl. https://www.holocaust-mahnmal.de/homosexuellendenkmal (7.10.2009).


89 Neben dem CSD waren der Jahrestag der Denkmalübergabe, der staatliche Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus sowie der 75. Jahrestag des Beginns der systematischen Homosexuellenverfolgung durch das NS-Regime bisherige Anlässe; vgl. https://www.homo-denkmal.lsvd.de/index.php?option=com_content&view=article&id=4&Itemid=36 (7.10.2009).


90 Während die Homepage der Denkmalinitiative die Ereignisse nur bis zum Zeitpunkt der Übergabe des Denkmals an die Öffentlichkeit dokumentiert; vgl. http://www.gedenkort.de/index.htm (7.10.2009), dokumentiert eine neue Homepage unter Verantwortung des Bildungs- und Sozialwerkes des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg (BLSB) e.V. ausführlich die aktuellen Entwicklungen; https://www.homosexuellen-denkmal.de/ bzw. https://www.homo-denkmal.lsvd.de/ (7.10.2009)..


91 Am 16.8.2008, am 16.12.2008 und 5.4.2009 beschädigten Unbekannte das Sichtfenster des Denkmals. Als Konsequenz der ersten Attacke wurde das Denkmal in die nächtlichen Wachgänge des Sicherheitspersonals des Denkmals für die ermordeten Juden Europas einbezogen, Vgl. https://www.homo-denkmal.lsvd.de/index.php?option=com_content&view=frontpage&Itemid=1 und die Stellungnahme von Ulrich Baumann, Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, unter https://www.youtube.com/watch?v=O0JtHdl2lZY (7.10.2009).


96 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Pressemitteilung Nr. 216 , 04.06.2007,  https://www.bundesregierung.de/nn_774/Content/DE/Archiv16/Pressemitteilungen/BPA/2007/06/2007-06-04-bkm-denkmal.html (27.12.2009).


99 Zu diesem und den folgenden Zitaten aus dem Schreiben siehe https://www.ondamaris.de/wp-content/uploads/2009/04/homofilm_ausschreibung_brief.pdf (7.10.2009).


101 Interview der Zitty vom 23.5.2008, https://www.zitty.de/magazin/9596/ (7.10.2009).


102 Zu diesem Zitat und den folgenden Bezugnahmen auf die erneute Ausschreibung siehe https://www.stiftung-denkmal.de/var/files/pdf-dateien/film_dt.doc.pdf (22.1.2010).


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