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Regionalgeschichte: Köln |
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Weimarer Republik |
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„Lesbische Liebe und Kleptomanie" |
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Presseberichte über Kölner Unterschlagungen um 1930 |
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Im Herbst 1930 berichten regionale Zeitungen1 von „[a]ußerordentlich hohe[n] Unterschlagungen"2 durch ein lesbisches Frauenpaar in Köln: Die Buchhalterin Maria Friedel hätte für sich und ihre langjährige Freundin, die Stenotypistin Käthe Fuhrmann3, mehr als 100.000 RM veruntreut; insgesamt – wie sich später herausstellte – waren es mehr als 243.000 RM. Konkret sollen der Kölner „Verkaufsstelle deutscher Holzschraubenfabrikanten" von Februar 1929 bis September 19304 regelmäßig Schecks im Wert zwischen 8.000 und 15.000 RM hinterzogen worden sein. | Kölner Tageblatt, 24.9.1930, ULB Bonn, ZMF 99
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Der Presse zufolge führten die beiden Frauen ein „ausschweifendes Leben" in „berüchtigten" Lokalen10, bis Fuhrmann am 19. September 1930 einen Barmixer namens Oberndorfer11 heiratete und eine „Ehe zu dritt" begann. Friedel habe kurz darauf versucht, sich das Leben zu nehmen, sich schließlich selbst bei der Polizei angezeigt und erklärt, „vollständig unter dem Einfluß ihrer Freundin"12 gestanden zu haben. Friedel und Fuhrmann/Oberndorfer kamen in Haft; am 18. Dezember wurde ihnen der Prozess gemacht, bei dem Maria Friedel zu zwei Jahren und Käthe Fuhrmann/Oberndorfer zu einem Jahr und neun Monaten Haft verurteilt wurden.
Die Untersuchungshaft wurde Käthe Fuhrmann und Maria Friedel jeweils angerechnet; sie traten ihre Haft am 22. bzw. 23. Dezember 1930 an.13 | ||
Analyse der Berichterstattung |
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Kölner Tageblatt, 27.9.1930, Morgen-Ausgabe, ULB Bonn, ZMF 99 | ||
Je mehr Raum der Skandal in der Öffentlichkeit einnimmt, desto ausgeprägter ist seine normative Relevanz. So teilte der A. Schaaffhausen'sche Bankverein der Berliner Zentrale21 die Unterschlagung mit und verwies entsprechend auf die Veröffentlichung: „[…] wie Ihnen vielleicht inzwischen durch die Presse bekannt geworden ist".22 Dass sich auch ein Schreiben des Schaaffhausen'schen Bankvereins auf die Berichterstattung beruft, manifestiert diese als öffentlichen Bezugspunkt. Die vorliegenden Zeitungsartikel23 berichten von der Unterschlagung und einer intimen Beziehung der beiden Angeklagten. Die Zusammenhänge, in die das Leben der beiden Frauen durch die Medien eingebettet wird, werden in diesem Aufsatz mit Hilfe skandaltheoretischer Überlegungen genauer beleuchtet, denn neben der Bekanntmachung des Scheckbetrugs und dessen Folgen enthüllt die Presse Teile des Privatlebens der Straftäterinnen, die der gesellschaftlichen Norm zuwiderlaufen und als öffentliches Ärgernis inszeniert werden. Die Analyse zeigt auf, mit welchen Techniken die Zeitungen auf eine bestimmte Wahrnehmung der Geschichte abzielten. Bedeutungsvolle Titel bzw. Untertitel stimmen die LeserInnen auf die nachfolgenden Informationen ein; gesetzte Schwerpunkte und rhetorische Kunstgriffe lenkten die Einschätzung des Publikums in die gewünschte Richtung. Die öffentlichen Erregungspotenziale werden im Verlauf der Veröffentlichungen von der Unterschlagung auf die Lebensweise der Straftäterinnen verschoben. So wird das Verhältnis der beiden Frauen diskreditiert und in einem negativ konnotierten Milieu verortet. Ein festgezurrtes heteronormatives Rollenverständnis von männlich/weiblich liegt besonders der in der zweiten Berichtsphase folgenden Prozessbeobachtung durch die Medien zugrunde. Für die Darstellung werden sozusagen verschiedene „Register" gezogen, die das kontinuierliche Interesse der LeserInnen sichern und Spannung schüren sollen: Die Straftat und die vorgebrachten Beweggründe bilden zusammen mit der Einschätzung als moralisch-sittliche und kriminell-pathologische Verfehlung das Gerüst für eine weitreichende Skandalisierung. | ||
Die berichtende Presse benutzt die Unterschlagung, um die angeklagten Frauen und ihre von den Normen abweichende Lebensweise als außergewöhnliche Sensation präsentieren, konstruieren und medial bestrafen zu können. Die Berichterstattung folgt dabei einem dreischrittigen skandaltheoretischen Muster: Normverstoß, Enthüllung und öffentliche Empörung.29 Die begangene Unterschlagung stellt hier den ersten Normverstoß dar, der durch die Printmedien veröffentlicht und damit enthüllt wird. Die Presse entscheidet sich in ihrer Darstellung für folgenreiche Hervorhebungen, Auslassungen und Zuschreibungen, die im Verlauf der zeitlich kurzen, aber quantitativ ausgiebigen Berichterstattung von bis zu drei, maximal fünf Artikeln in ebenso vielen Ausgaben relativ viel Platz einnehmen und für die Empörung der Öffentlichkeit sorgen sollen. Bei der Übermittlung der Vorgänge wird die Presse als Skandalisiererin zur konstruierenden Erzählerin des Skandals. Von der Rekonstruktion der übermittelten Ereignisse ist nicht nur abhängig, wie die Mitwirkenden innerhalb der erzählten Geschichte positioniert und bewertet werden, sondern auch das Erzählte selbst, dessen moralisch-sittliche Einordnung nicht zuletzt auf den Wertvorstellungen der SkandalisiererInnen und der Gesellschaft beruht. Bezogen auf Friedel/Fuhrmann veröffentlichten die Zeitungen neben der Information über den Scheckbetrug und dessen Folgen Teile des Privatlebens der Angeklagten, die diesen Wertvorstellungen zuwiderlaufen und als außergewöhnlich vorgestellt werden: Die beiden Frauen sind nicht nur straffällig geworden, sondern waren außerdem intim miteinander und bewegten sich zusätzlich in als verwerflich klassifizierten Kreisen. So wird durch die hier implizierte Einzigartigkeit der skizzierten Umstände auch die zweite ungehörige Normabweichung herausgestellt: Sexuelle Intimität zwischen Frauen wird als „unerlaubte"30, also im Grunde verbotene Ausnahme und moralische Verfehlung inszeniert, die ebenso wie der Betrug als Grenzüberschreitung wahrgenommen und verurteilt werden soll. |
Bonner Zeitung, 19.12.1930, ULB Bonn, ZMF 54
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Bei der Darstellung der Unterschlagung wird das lesbische Verhältnis der beiden Angeklagten als scheinbar notwendiger Aspekt mitbehandelt; nach Thompson, dessen Skandaltheorie zufolge das ursprünglich Anstößige zum Zweck der Skandalisierung mit einer Reihe anderer Normverstöße überdeckt wird31, erweitern die Skandalisierer die Grenzüberschreitung mit vorgeblich für die Sachlage relevanten Details aus der Intimsphäre der Angeklagten. Richtunggebende Schlagzeilen und Formulierungen | ||
Rheinische Zeitung, 26.9.1930, ULB Bonn, ZMF 48
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Die Rheinische Zeitung zog sogar eine klare Verbindung zwischen „Lesbische[r] Liebe und Kleptomanie"38 und für die Bonner Zeitung bestanden „unerlaubte intime Beziehungen"39 zwischen den Frauen, während der Westdeutsche Beobachter, der Stadt-Anzeiger und die Sozialistische Republik Friedel auf „Abwege[n]"40 verorteten. Formulierungen wie die beispielhaft genannten sind vorwiegend in demokratisch orientierten Zeitungen wie dem Kölner Tageblatt (DDP), dem Kölner Stadt-Anzeiger, der Sozialistischen Republik (KPD), der Rheinischen Zeitung (SPD) und dem Bonner General-Anzeiger erschienen. Die spekulative Verwendung mehrdeutiger Phrasen spiegelt eine homophobe Grundhaltung, die medial auch beim Lesepublikum gestärkt werden soll. | |
Dies verhält sich allerdings in den Texten anders: In den meisten der recherchierten Artikel ist unschwer die Absicht zu erkennen, die LeserInnenschaft durch Mutmaßungen und Übertreibungen an die erzählte Geschichte zu binden. Das offenbar federführende Kölner Tageblatt folgt dem Prinzip der Serialisierung, d. h. der „Ereignisstreckung"42, und stürzt sich in einem der Folgeartikel auf neue Einzelheiten, nämlich auf „sexuelle Hintergründe", die „eine mehr oder weniger eigenartige erotische Vorgeschichte"43 enthüllen. Bei der Bekanntgabe dieser Vorgeschichte benennt die Zeitung die Freundschaft zwischen Friedel und Fuhrmann eindeutig als „Liebesverhältnis", zu dem sich Herr Oberndorfer als „störender Dritter" hinzugesellt haben soll, und versucht gleichzeitig, über emotionale Verkettungen die Neugier der LeserInnenschaft zu schüren. Friedels „Eifersucht" sei so groß gewesen, dass Fuhrmann Friedel zu einem „Selbstmordversuch" getrieben habe, und zwar „am Tage nach der Hochzeitsnacht". Ohne die Einzelheiten zu erklären, sorgt das Tageblatt etwas schlüpfrig für die mögliche Schlussfolgerung, dass Friedel den in dieser Nacht unterstellten heterosexuellen Kontakt zwischen den Brautleuten nicht habe ertragen können. Nach der „luxuriös[en]" Hochzeitsfeier habe das „junge Paar […] aber nicht mit dem Schmerz der Friedel gerechnet, die in einem Anfall von Jammer am Tage darauf Aspirin nahm, und zur Polizei ging, um den ganzen Fall selbst anzuzeigen". Der Stadt-Anzeiger, der diese Selbstanzeige für das „Bemerkenswerteste an der ganzen Geschichte" hält, schlussfolgert ebenfalls, das sei „anscheinend geschehen, weil ihre Freundin Fuhrmann, unter deren Einfluß sie stand, einen Mixer O. geheiratet hat".44
Das wirft die Frage auf, ob sie bis zum Prozess noch ein Liebespaar gewesen waren, denn Friedel sagt offenbar später aus, sie habe Käthe Fuhrmann 1925 im Holzschraubensyndikat kennengelernt und das „sehr intime"51 Verhältnis
habe von 1926 bis 1928 bestanden. Wie passt eine beendete Beziehung mit dem Wunsch nach einer gemeinsamen Zukunft zusammen? Machte sich Maria Friedel noch Hoffnungen auf eine Wiederaufnahme oder hatte sie das Ende der Beziehung nur zu Protokoll gegeben, um Käthe Fuhrmann/Oberndorfer und vielleicht auch sich selbst zu schützen? Oder resultieren
diese in der aktuellen Rezeption sich zeigenden logischen Brüche aus der
fragmentarischen und überspitzten medialen Konstruktion? Anfangs hatten
das Kölner Tageblatt und der Stadt-Anzeiger berichtet, die beiden Freundinnen hätten schon seit 1920 zusammengelebt. Das Fehlen einer expliziten Richtigstellung oder Zurücknahme ursprünglich irreführender Schlagzeilen
ist symptomatisch für die Art der Berichterstattung: Es geht nicht in erster Linie darum, die Öffentlichkeit zu informieren, sondern darum, die Details so aufzuarbeiten, dass sie im Idealfall bei den Leserinnen und Lesern für
Entrüstung und Aufbegehren sorgen. Die Presse ist eindeutig mehr an der Konstruktion eines öffentlichen Ärgernisses interessiert als an den Sachverhalten.
Die im Tageblatt als „Liebesverhältnis"52 bezeichnete Beziehung zwischen Maria Friedel und Käthe Fuhrmann wird in der Rheinischen Zeitung als Abhängigkeitsverhältnis deklariert: „Unter dem Einfluß der ‚Freundin‘"53.
Die „Freundin" wurde in Anführungszeichen gesetzt, die alltagssprachliche
Bedeutung dieses Wortes damit in Frage gestellt und nicht zuletzt durcheinen ausdrücklichen Verweis auf lesbische Liebe im Untertitel ein homosexueller Gehalt impliziert.54 Bezog sich der „Einfluß" auch auf die offenbar von Friedel gemachte Aussage bei ihrem Geständnis, so handelt es sich bei der Hervorhebung eindeutig um eine lenkende Zusatzinformation. Die negativ gemeinte Anspielung wird mit der kleiner gedruckten Überschrift „Lesbische Liebe und Kleptomanie" verstärkt. So rückt die Rheinische Zeitung
die Homosexualität der beiden Frauen als eine „psychische Störung" ins Blickfeld und kriminalisiert sie gleichzeitig. | ||
Passend dazu beschreibt die Sozialistische Republik die Angeklagte Friedel reißerisch als Opfer, das „[i]n die Krallen von Erpressern" und „[d]urch sexuelle Hörigkeit auf Abwege geraten" sei.57 Die Rheinische Zeitung rückt in der zweiten Berichtsphase im Dezember die Beziehung der beiden Frauen erneut in die Nähe eines Krankheitsbildes: „Die Friedel war zweifellos der Frau O. sexuell hörig."58 Besonders bei Frauen sahen Sexualwissenschaftler der Jahrhundertwende sexuelle Hörigkeit ausgeprägt.59 |
Sozialistische Republik, 27.9.1930, Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn, MF 494
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Durch diese Pathologisierung von Beziehungen erscheint der begangene Betrug als Folge des lesbischen Verhältnisses: Hätte es die sexuelle Hörigkeit nicht gegeben, dann wäre – nach der Logik der Berichterstattung60 – Maria Friedel gar nicht erst straffällig geworden. In diesem Hörigkeitsmodell muss die Hauptverantwortliche diejenige sein, die die krankhafte Abhängigkeit der dadurch unterlegenen Frau ausnutzt. Entsprechend wurde Käthe Fuhrmann/Oberndorfer von der Zeitung Sozialistische Republik
als „Hauptanstifterin" gehandelt; sie sei „weit davon entfernt, es ernst zu meinen" und habe mit dem Geld der „aufopferungsvollen Freundin" einen
„Gastwirtssohn" geheiratet.61 Die Information, Fuhrmann/Oberndorfer sei bereits vorbestraft, unterstützt diese Richtung. Es muss offen bleiben, ob Maria Friedel das Argument des offenbar unbewiesenen Einflusses der Freundin aus Taktik eingebracht hat, um Käthe Fuhrmann/Oberndorfer zu belasten, oder ob tatsächlich Letztere die Ideengeberin war. |
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Werbung Kaufhaus Tietz: Lebensmittelpreise; |
Der Wunsch nach einer gesicherten Existenz kann vor dem Hintergrund der Benachteiligung von Frauen bei Bildung, Ausbildung und Einkommen gesehen werden. Als Maria Friedel 1916 als Buchhalterin zum deutschen Holzschraubensyndikat kam, war sie 26 Jahre alt. Nach anscheinend wörtlicher Aussage vor Gericht hatte sie mit 14 eine kaufmännische Ausbildung
in Maschineschreiben und Stenografie absolviert und sich die notwendigen buchhalterischen Kenntnisse anschließend selbst beigebracht.67 Frauen in kaufmännischen Berufen hatten mindestens bis zur frühen Weimarer Zeit meist nur die Handelsschule besucht und damit die nötigsten
Grundkenntnisse erworben; Männer hingegen konnten eine mehrjährige Lehre absolvieren und genossen aufgrund dessen eine höhere Anerkennung.Das monatliche Durchschnittsgehalt weiblicher Angestellter betrug
1931 etwa 59% der Männerlöhne, also 157 von 267 RM.68 Über ein Viertel
der weiblichen Angestelltenschaft hatte ein Bruttoeinkommen bis höchstens
100 RM. Viele erhielten bis zu 200 RM; nur selten jedoch lagen die Löhne
darüber. Eine unverheiratete weibliche Angestellte verbrauchte ihren geringen
Lohn oft gänzlich für Zimmermiete und Essen.69 Die meisten kaufmännischen
Angestellten wohnten, wenn möglich, in einem für ca. 20 bis 50 RM gemieteten möblierten oder leeren Zimmer und bezahlten zwischen 11 und 25% ihres Einkommens fürs Wohnen.70
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Diese Ungleichheit thematisiert die Presse nicht. Stattdessen fasst siedie enthüllte Verwendung des neuen Vermögens wie folgt zusammen: Die beiden Frauen haben ein „ausschweifendes Leben geführt und mit jungen Leuten zusammen in berüchtigten Lokalen große Zechen gemacht". Das Attribut „ausschweifend" legt maßlose Grenzüberschreitungen nahe. „[B]erüchtigt" für die besuchten Lokale soll aus Sicht der Presse die Frauen, die
sich in dieses Milieu begeben, gesellschaftlich herabsetzen. Ob es sich bei
jenen Gaststätten um Homosexuellenlokale handelte, etwa um das „Dornröschen"
am Barbarossaplatz, das seit Mitte der zwanziger Jahre71 Klublokal
des „Bundes für Menschenrecht" war? Es bot, wie u.a. Anzeigen aus
der Freundin, der wohl populärsten Lesbenzeitschrift der Weimarer Republik,
belegen, auch Frauen einen Treffpunkt.72 Das „Dornröschen", in dem zeitweise auch der viel beachtete Kölner Travestiekünstler Johann Baptist
Welsch, genannt „Tilla" (1888-1943, ermordet im KZ Mauthausen) auftrat73,
erfreute sich eines hohen Bekanntheitsgrades. Im Oktober 1930, kurz nach der Verhaftung Friedels und Fuhrmanns/Oberndorfers, brachte die wöchentlich erscheinende Kölner Sonntags-Post einen Bericht über einen
„Bunten Abend" im „Dornröschen", zu dem die Zeitung offenbar eigens
jemanden geschickt hatte, um sich ein Bild über „das dritte Geschlecht" zu
machen. Der Autor (oder die Autorin?) warf zwar einen klischeebeladenen
Blick auf „das Verkehrslokal der Homosexuellen beiderlei Geschlechts",
in dem man „unzählige Frauen mit markant männlichen Zügen findet",
endete aber, nach einer kurzen Beschreibung einer Begegnung mit „Fräulein
Tilla", mit dem Appell, man dürfe „den durch Natur oder Verirrung ins
dritte Geschlecht Geratenen" die Existenzberechtigung nicht absprechen.74 |
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Abweichendes Geschlechtsrollenverhalten |
Kölner Tageblatt, 18.12.1930, Abendausgabe, ULB Bonn, ZMF 99 |
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Kölner Tageblatt, 18.12.1930, Abendausgabe, ULB Bonn, ZMF 99 |
Über Maria Friedel heißt es im Kölner Tageblatt: „Sie ist eine kräftige, fast männlich aussehende Person. Sie trägt ein blaues Herrenjakett, blauen Hut. Diese strenge Kleidung verleiht ihren harten Gesichtszügen ein fast drohendes Aussehen."77 Die Kölnische Volkszeitung beschreibt Friedel als „eine Frau mit ausgeprägten herben Gesichtszügen"78. Maria Friedel gegenübergestellt wird die andere: Käthe Oberndorfer „tritt […] schluchzend in den Saal. Sie muß gestützt werden. Diese Angeklagte trägt einen gelben Staubmantel mit blauem Hut. Ihre Züge sind weit frauenhafter als die der Friedel."79 Die Aufmerksamkeit wird hier auf die offenbar wieder heterosexuell lebende Mitschuldige gelenkt. Ihre sichtbare Emotionalität erfüllt Klischeevorstellungen von Weiblichkeit, sie ist „ein ausgesprochen weicher Typ"80. Angesichts dieser Rollenkonformität wird der im September von der Sozialistischen Republik geäußerte Vorwurf ignoriert, Fuhrmann/Oberndorfer sei ganz klar als „Hauptanstifterin"81 einzuschätzen. | |
Der Artikel im Kölner Tageblatt definiert das Auftreten von Käthe Fuhrmann/
Oberndorfer vor Gericht vorwiegend über den Hinweis auf ihr wiederholtes
„Schluchzen"; wortreich beschreibt das Tageblatt die Bemühungen
des Vorsitzenden, der Beamten und des Staatsanwalts, die Angeklagte zu beruhigen um die Sitzung nicht zu oft unterbrechen zu müssen. Im Fall Fuhrmann/Oberndorfer wirken die Berichtenden unentschieden, was den
Schuldanteil der Mitangeklagten betrifft.
Exkurs zum Giftmordprozess 1923
Zusammenfassung Republish mit zusätzlichen Abbildungen aus: Boxhammer, Ingeborg: "Lesbische Liebe und Kleptomanie". Presseberichte über Kölner Unterschlagungen um 1930, in: Invertito - Jahrbuch der Geschichte der Homosexualitäten, Jg. 13, 2011, S.88-114.Zitationsvorschlag: Nachtrag: 1 Ich danke herzlich Erwin In het Panhuis für Informationen und die Überlassung der von ihm entdeckten ersten Zeitungsmeldungen zu diesem Skandal, Christiane Leidinger für die wissenschaftliche Unterstützung, Jürgen Müller für hilfreiche Details zur Kölner Stadtgeschichte und Jens Dobler für Informationen zur Polizeiakten-Recherche.
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