Rede von Angelika Schöttler


Roswitha Baumeister während ihrer Rede am 16. Oktober 2013 in Berlin-Schöneberg


Dokumentation der Rede der Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler, die sie während der Gedenksteineinweihung für Gertrude Sandmann und Tamara Streck am 16. Oktober 2013 in Berlin-Schöneberg gehalten hat:


Sehr geehrte Damen und Herren,

seien Sie herzlich willkommen zur Einweihung des Gedenksteins für Gertrude Sandmann. Zunächst herzlichen Dank an Sie, Frau Bührmann, und an den Freundinnenkreis für die Gelegenheit, die Sie mir geben, als Bezirksbürgermeisterin einige Worte zu diesem Anlass zu sprechen; ein Anlass, der aus meiner Sicht zugleich ein willkommener Beitrag zum Berliner Themenjahr "Zerstörte Vielfalt" ist.

Nun zu Gertrude Sandmann: Zwei rote Fäden sind es, die sich durch das Leben und Überleben dieser beeindruckenden Frau ziehen, nämlich das künstlerische Schaffen und die tiefverwurzelte Solidarität von und zu Frauen.

Wir haben hier und heute das große Glück, die Einweihung eines Gedenksteins für Gertrude Sandmann erleben zu dürfen: Für eine Künstlerin aus Leidenschaft, für eine verfolgte Jüdin während des Naziregimes und für eine lesbische Frau, die sich zu ihrer Liebe zu Frauen bekannte - und dies nicht nur als privates Bekenntnis, sondern auch als politische Aussage, indem sie ihre weiblichen und männlichen Anteile vor allem in ihrem künstlerischen Schaffen zum Ausdruck brachte, indem sie in der Verwirklichung des androgynen Menschenbildes auch ein gesellschaftliches Modell der Zukunft sah - und indem sie diesen ihren Idealen treu blieb, auch in schwierigsten Zeiten. Dafür gebührt ihr höchste Achtung und Anerkennung und nicht zuletzt auch Dankbarkeit für ihren Vorbildcharakter.

Meinen ausdrücklichen Dank möchte ich der Initiatorin, Traude Bührmann und dem Freundinnenkreis aussprechen, die diese Einweihung des Gedenksteins für Gertrude Sandmann und für deren Lebensgefährtin Tamara Streck durch ihr kontinuierliches, mutiges und kreatives Engagement erst ermöglicht haben. Mein Dank gilt hier und heute im Besonderen auch Dr. Claudia Schoppmann, die diesen besonderen Schatz - Werk und Leben Gertrude Sandmanns - durch ihre akribischen Forschungsarbeiten aus dem Verborgenen ans Licht brachte und zwar bevor in jüngster Zeit eine umfassende Ausstellung in Potsdam und 2011 auch hier im Haus am Kleistpark in Schöneberg - eine sehr schöne und informative Ausstellung zu Gertrude Sandmann - gezeigt wurde. Zu Unrecht war nämlich die Künstlerin nach ihrem Tod in Vergessenheit geraten.

Es scheint mir übrigens alles andere als ein historischer Zufall zu sein, dass es neben einem befreundeten Ehepaar vor allem ihre damalige Lebensgefährtin und Freundinnen waren, die Gertrude Sandmann in jener schweren Zeit der Verfolgung das Überleben ermöglichten. Und in der Nachkriegszeit war es maßgeblich die im Büro des damaligen Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt arbeitende Sozialdemokratin Käthe Horvath-Mohácsi, die durch ihren persönlichen Einsatz half, Gertrude Sandmann eine, wenn auch bescheidene, ökonomische Existenz zu sichern sowie deren Werk, soweit es die Nazizeit überdauerte, für einen Nachlass aufzubereiten. - Und jetzt ist es wiederum ein Freundinnenkreis, der eine nachhaltige Würdigung und Ehrung Gertrude Sandmanns in Form dieses Gedenksteins ermöglicht.

Nicht zu vergessen ist freilich auch Gertrude Sandmanns Präsenz im Rathaus Schöneberg - in Form eines biografischen Albums über sie, das Dr. Anna Havemann für die Dauerausstellung "Wir waren Nachbarn" verfasst hat.

Wie ich zudem erfuhr, soll demnächst eine Gedenktafel für Gertrude Sandmann in der Eisenacher Straße 89 eingeweiht werden. Dort war ihre Wirkungsstätte in der Nachkriegszeit bis zu ihrem Tode.

Wir sehen, es gibt vielfältige Bezüge, die Gertrude Sandmann mit Schöneberg verbinden - auch ein Glück, eine Freude - wie ich meine.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Angelika Schöttler (Berlin 2013)